Orientierungssatz
1. Für ein äußeres Ereignis im Sinne des Unfallbegriffs des SGB VII ist kein besonderes Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern oder auch gewollte körpereigene Bewegungen wie Heben oder Schieben genügen, wenn diese zu einem ungewollten Ergebnis, nämlich einer körperlichen Verletzung führen (Anschluss an:Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. März 2023, Aktenzeichen L 6 U 49/21 , Rn 32 f. ).
2. Für das Vorliegen einer „Gelegenheitsursache“ ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (Anschluss an:Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R , Rn 15 ). Eine Gelegenheitsursache ist daher zu verneinen, wenn der Eintritt einer körperlichen Verletzung durch eine besondere berufliche Kraftanstrengung hervorgerufen wird. Dieses gilt auch dann, wenn bei dem Versicherten erhebliche anlagebedingte Vorschäden vorliegen, die bei einer normalen Kraftanstrengung jedoch nicht zur gleichen Zeit zu der tatsächlich eingetretenen Verletzung geführt hätten (hier: Arbeitsunfall bejaht beim Versuch des Anschiebens eines 2,5 mal 2,5 Meter großen Drehtisches mit 1.500 bis 2.000 Kilogramm Gewicht und hierdurch verursachter Patellaluxation).
Tenor
1. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 4. April 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2022 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 20. März 2022 um einen Arbeitsunfall handelt.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung des Ereignisses vom 20. März 2022 als Arbeitsunfall.
Der amXX. XX 1987 geborene Kläger ist gelernter Verpackungsmittelmechaniker und arbeitet seit dem Jahr 2010 bei einer Verpackungsfirma in der Produktion.
Der Kläger wollte am 20. März 2022 gegen 22:00 Uhr zusammen mit zwei Arbeitskollegen einen etwa 2,50 Meter x 2,50 Meter großen Drehtisch der aus seiner Schiene gesprungen war wieder in diese zurückdrücken. Beim frontalen Ausüben von Druck auf den Drehtisch verspürte er ein Knacken und einen plötzlich starken Schmerz im linken Kniegelenk und kam zu Fall. Er wurde mit dem Rettungswagen in das örtliche Krankenhaus E gebracht, wo die Diagnose einer Patellaluxation links gestellt wurde, wobei sich die Kniescheibe in der Zwischenzeit wieder reponiert hatte. Ein am 31. März 2022 durchgeführtes MRT ergab den Befund einer Ruptur des Haltebandes der Kniescheibe, einen ausgeprägten Gelenkerguss mit Binnenechos, für eine Patellaluxation typische Kontusionsmarken des lateralen Femurkondylus und der zentralen Patella, den Verdacht einer Knorpelaussprengung zentral in der Patella, eine deutliche Patelladysplasie (Jägerhut-Halbmondform) mit fehlender medialer Patellafacette, eine Dysplasie des Gleitlagers Typ 5 nach Hepp mit pathologischem Sulkuswinkel nach Brattström, einen Patellahochstand von 1,5 nach Insall-Salvati. Die Kreuz-und Seitenbänder sowie die Menisken waren intakt. Am 24. Mai 2022 erfolgte eine Kniegelenksoperation links zur Anbringung eines Ersatzes des medialen Haltebandes der Kniescheibe. Seit dem 15. Juli 2022 ist der Kläger bei Fortbestehen von Restbeschwerden im Bereich des Kniegelenks wieder arbeitsfähig.
Bereits mit Bescheid vom 4. April 2022 hatte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 20. März 2022 als Arbeitsunfall abgelehnt. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Die Kniescheibenluxation sei anlässlich einer willentlichen Kraftanstrengung des Klägers zu Tage getreten. Es fehle daher im Sinne der Definition des Unfallbegriffes an einer plötzlichen äußeren Einwirkung im Sinne eines äußeren Ereignisses. Den Widerspruch des Klägers gegen die vorgenannte Entscheidung wies die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 26. August 2022 als unbegründet zurück.
Mit seiner am 23. September 2022 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, dass für die Bejahung eines äußeres Ereignisses keine sichtbare Kraft auf ihn habe einwirken müssen. Es reiche nach dem Dritten Newton’schen Gesetz die Kraft, die sich durch das Gewicht der zu bewegenden Maschine seiner Schubkraft im Sinne einer Wechselwirkungskraft entgegensetze. Die willentliche berufliche Kraftanstrengung sei wesentliche Ursache dafür, dass es zu der Patellaluxation gekommen sei. Er habe zuvor keine Kniebeschwerden gehabt. Sein Kniegelenk sei insbesondere nicht so vorgeschädigt gewesen, dass anzunehmen sei, dass eine gleichartige Verletzung etwa zur gleichen Zeit bei jeder alltäglichen Tätigkeit eingetreten wäre.
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 4. April 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2022 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 20. März 2022 um einen Arbeitsun...