Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Nebenkostennachforderung. Kaltwasserkosten. Angemessenheitsgrenze für Wasserverbrauchskosten und Folgen der Überschreitung
Leitsatz (amtlich)
1. Kosten für den Verbrauch von Kaltwasser sind Kosten der Unterkunft.
2. Der vom Statistischen Bundesamt ermittelte jährliche Durchschnittswert des Pro-Kopf-Wasserverbrauchs in Deutschland kann als Grenzwert der Angemessenheit für Wasserverbrauchskosten herangezogen werden. Wird dieser Grenzwert überschritten, besteht Anlass zur Annahme der Unangemessenheit. Es obliegt dann dem Hilfesuchenden, konkret vorzubringen, warum sein Wasserverbrauch über dem Grenzwert liegt, die Kosten im jeweiligen Einzelfall aber gleichwohl noch als angemessen anzusehen sein sollen.
3. Eine vorherige Belehrung über die konkrete Höhe des vom Leistungsträger als angemessen erachteten Wasserverbrauchs ist jedenfalls dann entbehrlich, wenn der Verbrauch erheblich über dem Grenzwert (hier: mehr als dem Dreifachen) liegt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Nebenkostennachforderung für das Jahr 2007 in Höhe von 203,22 Euro.
Die Klägerin bezog Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) vom Beklagten. Mit Bescheid vom 07.08.2007 gewährte der Beklagte die Übernahme der Nebenkostennachforderung für den Abrechnungszeitraum 01.07.2006 bis 31.12.2006 in voller Höhe. Zugleich heißt es in diesem Bescheid: „Nachzahlungsbeträge werden grundsätzlich nur in angemessener Höhe übernommen. Die Prüfung der Angemessenheit Ihrer Nebenkostennachzahlung hat ergeben, dass Sie sich unwirtschaftlich verhalten haben. Somit wird künftig nur der angemessene Betrag übernommen. Dies gilt für zukünftig eingereichte Nebenkostenabrechnungen. Im Einzelnen waren bei Ihnen folgende Verbrauche nicht angemessen: Kaltwasser.“ In diesem Abrechnungszeitraum hatte die Klägerin 87,701 m3 Kaltwasser verbraucht.
Am 22.10.2008 beantragte die Klägerin die Übernahme der Nebenkostennachforderung für den Abrechnungszeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2007 beim Beklagten und reichte am 28.10.2008 die korrigierte Abrechnung des Vermieters vom 22.10.2008 beim Beklagten ein, die eine Nachforderung in Höhe von 203,22 Euro auswies. Der Kaltwasserverbrauch der Klägerin betrug in diesem Abrechnungszeitraum 136,633 m3. Mit Bescheid vom 25.11.2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil die Nachzahlung aufgrund unangemessenen Verbrauchs entstanden sei und die angemessenen Nebenkosten bereits durch die Vorauszahlungen abgedeckt worden seien. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2009 zurück. Die Klägerin sei bereits mit Bescheid vom 07.08.2007 auf die Unangemessenheit ihres Wasserverbrauchs hingewiesen worden. Die Höchstgrenze des angemessenen jährlichen Wasserverbrauchs betrage 40 m3 und zuzüglich Kulanzwert 44 m3, der tatsächliche Verbrauch der Klägerin habe um 92,633 m3 darüber gelegen. Im Falle eines Verbrauchs im Rahmen der Angemessenheit hätte die Klägerin keine Nachzahlungsforderung, sondern eine Gutschrift in Höhe von 78,64 Euro erhalten.
Am 29.07.2009 hat die Klägerin zum Sozialgericht Freiburg Klage erhoben und vorgetragen, dass die Unterkunftskosten angemessen und folglich auch die Nebenkosten, soweit sie anfallen, als Unterkunftskosten in den Bedarf einzustellen seien. Die Klägerin macht zudem geltend, dass sie krank sei und sich deshalb dauernd in der Wohnung aufhalte. Sie friere in den kalten Monaten stark und müsse täglich heiße Bäder nehmen. Die Wohnung sei schlecht isoliert, so dass es im Winter trotz heizen kälter und im Sommer heißer sei, weshalb sie im Sommer wiederum kaltes Wasser benötige.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 25.11.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Nebenkostennachforderung 2007 in Höhe von weiteren 203,22 Euro zu übernehmen.
Hilfsweise beantragt die Klägerin,
die Berufung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass seine Entscheidung rechtmäßig sei. Die Festsetzung eines angemessenen Wasserverbrauchs auf 40 m3 pro Jahr und Person resultiere aus einer Rückfrage bei der Badenova als dem örtlichen Versorgungsunternehmen im Hinblick auf den durchschnittlichen Wasserverbrauch pro Jahr. Zuzüglich eines Kulanzwertes von 10 % ergebe sich ein zu übernehmender Betrag von 44 m3. Der bloße Hinweis, dass der Verbrauch unangemessen sei - ohne Nennung eines angemessenen Verbrauchswertes - würde genügen, da ein geringer Verbrauch auch im Interesse der Klägerin liegen sollte und somit eine Erkundigung nach den als angemessen betrachteten Verbrauchswerten nicht abwegig erscheine.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten im Gerichts- und Verwaltungsverfahren wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten d...