Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Recht zur fristlosen Kündigung eines Versorgungsvertrages iSv §§ 132, 132a SGB 5. "Rahmenvertrag über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege und Haushaltshilfe im Saarland" (RahmenV) als Grundlage des Versorgungsvertrages. nicht abschließende Regelbeispiele von §§ 13, 14 RahmenV. Fehlen der erforderlichen Eignung und Zuverlässigkeit als ein die fristlose Kündigung rechtfertigender Grund. besondere Anforderungen an die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit als allgemeiner Grundsatz des SGB 5. grobe, auch vielfache Pflichtverletzungen durch den Leistungserbringer als nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses. Vertrauensverhältnis als Mindestgrundlage von Eignung und Zuverlässigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Grobe Verletzungen der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Patienten oder der Krankenkasse durch den Leistungserbringer berechtigen die Krankenkasse nach den §§ 13, 14 des Rahmenvertrages über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege und Haushaltshilfe im Saarland zur fristlosen Kündigung des nach §§ 132, 132a SGB V geschlossenen Versorgungsvertrages.
2. Die Regelbeispiele der §§ 13, 14 des vorgenannten Rahmenvertrages sind nicht abschließend. Als Grund, der den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigt, kann auch der Umstand gelten, dass der Leistungserbringer nicht (mehr) über die erforderliche Eignung und Zuverlässigkeit verfügt.
3. Leistungserbringer iRd SGB V müssen nicht nur allgemein zur ordnungsgemäßen und fachgerechten Ausübung ihres Berufs bzw ihrer Tätigkeit geeignet und in der Lage sein. Die Tätigkeit für die Krankenkassen stellt über diesen rein berufsrechtlichen und tätigkeitsbezogenen Aspekt hinaus besondere Anforderungen an die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit eines Leistungserbringers. Die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit bezüglich der besonderen Anforderungen an Qualität und Zuverlässigkeit der Leistungserbringung kann als allgemeiner Grundsatz des SGB V festgehalten werden (vgl BSG vom 13.12.2001 - B 3 KR 19/00 R = SozR 3-2500 § 124 Nr 10).
4. Grobe, aber auch vielfache Pflichtverletzungen, die einen Bezug zur Tätigkeit des Leistungserbringers aufweisen, führen zu einer nachhaltigen Störung des besonderen Vertrauensverhältnisses, das mit dem Vertragsschluss zwischen den Kassen und dem Leistungserbringer entsteht. Kann die Eignung und Zuverlässigkeit eines Leistungserbringers als Mindestgrundlage des Vertrauensverhältnisses nicht mehr bestätigt werden, berechtigt dies die Kasse zur sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Gründe
I.
Im Streit steht im einstweiligen Anordnungsverfahren zwischen den Beteiligten die Feststellung, ob der zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin im Jahr 2004 geschlossene Versorgungsvertrag nach §§ 132a, 132 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) durch fristlose Kündigung vom 25.2.2021 bzw. die hilfsweise zum 31.12.2021 erklärte fristgerechte Kündigung der Antragsgegnerin beendet ist.
Die Antragstellerin betreibt unter der Geschäftsbezeichnung „ L. Pflegedienst A.“ in A-Stadt einen Pflegedienst in der Form eines Einzelunternehmens. Sie schloss im Jahr 2004 auf der Grundlage eines Rahmenvertrags mit der Antragsgegnerin einen Versorgungsvertrag nach § 132, 132a SGB V über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege und Haushaltshilfe im Saarland, beginnend zum 1.8.2004. Der Pflegedienst hat das Institutionskennzeichen IK ... (§ 293 SGB V).
Am 30.12.2019 wurden ein Vertrag über die Gründung der L. Gesundheitsdienst D. A. GmbH sowie ein Vertrag über die Gründung der L. Pflegedienst A. GmbH & Co KG (nachfolgend GmbH & Co KG) abgeschlossen. Die GmbH und die GmbH & Co KG wurden am 12.3.2020 und 7.4.2020 ins Handelsregister des Amtsgerichts Saarbrücken eingetragen (HRB 106251 und HRA 12708). Die Bundesagentur für Arbeit erteilte die Betriebsnummer .... Die Antragstellerin meldete ein Gewerbe für die Betriebsstätte A.-Straße, A-Stadt am See, mit Beginn am 1.1.2020 an. Das Finanzamt S. teilte eine Steuernummer für die GmbH & Co KG zu. Die Arbeitsgemeinschaft für Institutionskennzeichen (ARGE-IK) vergab das Institutionskennzeichen (IK ...).
Die Antragstellerin legte am 6.1.2020 über ihre damaligen Bevollmächtigten bei der IKK Südwest eine Ausfertigung des Vertrags zur Gründung der GmbH & Co KG vor; alleinige Gesellschafterin der GmbH und alleinige Kommanditistin der GmbH & Co KG ist die Antragstellerin.
Am 8.1.2020 teilte die Antragstellerin mit, sie habe zum 1.1.2020 einen Rechtsformwechsel vorgenommen. Der nunmehr seit fast 25 Jahren persönlich geführte Betrieb solle sozusagen 1 zu 1 weitergeführt werden. Die Pflegedienstleitung sei unverändert, das Personal das gleiche.
Die IKK Südwest führte unter dem 16.1.2020 per E-Mail aus, die Landesverbände der Pflegekassen sähen in der angeze...