Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Arbeitsunfähigkeitsmeldung. Meldepflicht des Vertragsarztes nach dem EntgFG. kein Ruhen bei verspäteter Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Leitsatz (amtlich)
Unterfällt ein gesetzlich Krankenversicherter dem Entgeltfortzahlungsgesetz, ist er von der Obliegenheit, seine Arbeitsunfähigkeit selbst der Krankenkasse zu melden, entbunden. Gemäß § 5 Abs 1 S 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (juris: EntgFG) wird die Meldepflicht in diesem Fall dem Vertragsarzt zugewiesen. Eine verspätete Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung führt sodann nicht zum Ruhen des Krankengeldanspruchs gem § 49 Abs 1 Nr 5 SGB 5, da der Vertragsarzt, mithin die Krankenkasse, das Übermittlungsrisiko trägt.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2015 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 09.05.2015 bis 20.05.2015 Krankengeld zu zahlen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Krankengeld nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für den Zeitraum vom 09.05.2015 bis 20.05.2015 zum Ruhen gekommen ist.
Der 1966 geborene Kläger ist gesetzlich mit dem Anspruch auf Krankengeld versichertes Mitglied bei der Beklagten. Am 02.03.2015 erkrankte er arbeitsunfähig und erhielt von seinem Arbeitgeber zunächst bis zum 13.04.2015. Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz Im Anschluss bezog der Kläger von der Beklagten Krankengeld.
Mit Bescheid vom 29.05.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein weitergehender Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum vom 09.05.2015 bis 20.05.2015 ruhe, da er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 7.5.2015 erst am 21.05.2015, und damit nicht innerhalb einer Woche nach der ärztlichen Feststellung, angezeigt habe. Die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten sei eine Obliegenheit des Versicherten, weshalb er die Folgen der Nichtmeldung zu tragen habe. Den hiergegen am 17.06.2015 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2015 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die am 07.08.2015 zum Sozialgericht des Saarlandes erhobene Klage mit der der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Der Kläger macht geltend, der behandelnde Arzt Dr. M. habe die weitere Arbeitsunfähigkeit am 07.05.2015 festgestellt und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch am selben Tag an die Beklagte versandt. Der tatsächliche Eingang dieser Bescheinigung bei der Beklagten erst zum 21.05.2015 sei daher wenig nachvollziehbar und von seiner Seite nicht zu vertreten.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2015 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 09.05.2015 bis 20.05.2015 Krankengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint, die verspätete Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung falle in den Verantwortungsbereich des Klägers, denn dieser trage die Übermittlungsgefahr selbst dann, wenn der behandelnde Arzt die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besorgt hätte.
Am 23.10.2015 fand vor dem Sozialgericht für das Saarland ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt, anlässlich dessen der Kläger persönlich gehört wurde. Wegen des Inhalts wird auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Sozialgerichtsakte nebst der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg, da sie zulässig und begründet ist.
Die im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 I. Alt. Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhobene und statthafte Anfechtungsklage i. V. m. einer gem. § 54 Abs. 4 SGG erhobenen und statthaften Leistungsklage setzt für ihre Begründetheit voraus, dass der Kläger durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt beschwert, mithin in seinen rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt ist (Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 11. Auflage, § 131 RdNr. 2) und gemäß § 54 Abs. 4 SGG, dass der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht.
Da sich der Bescheid der Beklagten vom 29.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2015 als rechtswidrig erweist, ist eine Verletzung des Klägers in seinen Rechten gegeben (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 09.05.2015 bis 20.05.2015 Krankengeld von der Beklagten zu (I.). Zu Unrecht hat die Beklagte angenommen, dass der Krankengeldanspruch des Klägers für diesen Zeitraum wegen verspäteter Meldung der Arbeitsunfähigkeit zum Ruhen gekommen sei (II.).
I.
Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Krankengeld ist vorliegend § 44 SGB V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung ...