Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrecht: Abgrenzung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit bei einem Notarzt
Orientierungssatz
1. Bei einer Tätigkeit als Notarzt für ein Unternehmen, das als Leistungserbringer im Rettungsdienst tätig ist, entfällt die Annahme einer Weisungsgebundenheit nicht schon deshalb, da der eingesetzte Arzt aufgrund seiner Sach- und Fachkenntnis die Tätigkeit ohne inhaltliche Vorgaben ausführt. Vielmehr kann sich bei einer solchen Dienstleistung höherer Art die Weisungsabhängigkeit als Kriterium einer abhängigen Beschäftigung auch daraus ergeben, dass die Aufgabe innerhalb des Systems der Rettungsdienstleistungen wahrzunehmen ist.
2. Erfolgte die Vergütung eines Notarztes auf der Basis einer Stundenabrechnung gegenüber dem Leistungserbringer im Rettungsdienst, spricht dies für eine abhängige Beschäftigung des Notarztes, auch wenn bei der Vertragsumsetzung eine Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall nicht gewährt wurde.
3. Einzelfall zur Einstufung einer Tätigkeit als Notarzt als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (hier: Sozialversicherungspflicht bejaht).
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat der Kläger zu tragen.
Seine außergerichtlichen Kosten trägt der Beigeladene selbst.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Tätigkeit des Beigeladenen als Notarzt bei der Klägerin der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Die Beigeladene ist seit dem 3.8.2016 als Notarzt für den Kläger tätig. Daneben übte er eine weitere Tätigkeit als beschäftigter Notarzt in Vollzeit beim B. gGmbH aus.
Der Kläger ist als Landkreis in Hessen öffentlich-rechtlicher Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes einschließlich der notärztlichen Versorgung sowie der Berg- und Wasserrettung (Rettungsdienstträger). Daneben ist er auch Leistungserbringer im Rettungsdienst. Als Leistungserbringer “Notarzt„ besteht das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen.
Die rettungsdienstliche Versorgung im Landkreis Fulda umfasst seit dem 1.1.2017 neun Rettungswagen und vier Notarztstandorte, die durch den Kläger in seiner Funktion als Rettungsdienstträger im Rahmen des gesetzlichen Auftrages bemessen und festgelegt wurden. Der Beigeladene ist als Notarzt für den Kläger auf dem Notarzteinsatzfahrzeug “CX.„ an der C. Fulda tätig.
Der Kläger hat am 6.6.2016 eine Honorarvereinbarung mit dem Beigeladenen geschlossen. Danach erbringt er als Notarzt Leistungen im Rettungsdienst des Landkreises Fulda. “Gegenstand der Leistung nach dieser Vereinbarung ist die Übernahme von Bereitschaftsdiensten für die notärztliche Versorgung im Rettungsdienstbereich Fulda mittels bodengebundenem Notarztsystem (NEF). Der Notarzt ist in seiner Verantwortung in Diagnostik und Therapie unabhängig und nur dem Gesetz verpflichtet. Er ist im Einsatzgeschehen an die Weisungen des leitenden Notarztes (LNA) gebunden. Der Notarzt ist freiberuflich tätig und wird nicht in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden. Er unterwirft sich keinen einseitigen nachträglichen Weisungen von Bediensteten des Auftraggebers. Der Notarzt leistet Rettungseinsätze, die während der vom Auftraggeber gestellten Dienste von der Leitstelle des Auftraggebers angezeigt werden.
Der Notarzt verpflichtet sich, im Einsatz persönliche Schutzausrüstung entsprechend den jeweils gültigen Sicherheitsvorschriften zu tragen.
Der Beigeladene wird im Bereich Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) der D. Fulda, stationiert an der C. Fulda, eingesetzt. Es gelten folgende Dienstzeiten:
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Montag bis Donnerstag |
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7:30 Uhr bis 21:00 Uhr |
Freitag |
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7:30 Uhr bis 23:00 Uhr |
Samstag |
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7:30 Uhr bis 23:00 Uhr |
Sonntag und Wochenfeiertag |
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11:00 Uhr bis 22:00 Uhr |
Der Notarzt teilt per E-Mail dem Dienstplankoordinator mit, welche Dienste er zu übernehmen bereit ist. Der Auftraggeber entscheidet im Rahmen der vom Notarzt angebotenen Termine, zu welchen Diensten er ihn bestellt und teilt ihm dies per E-Mail spätestens fünf Tage vor dem Termin mit.
Aus dem Abschluss dieses Vertrages erwächst kein Anspruch des Notarztes gegen den Auftraggeber auf Bestellung der von ihm angebotenen Dienste und kein Anspruch des Auftraggebers, dass der Notarzt bestimmte Diensttermine anbietet. Der Dienstplan wird vom Auftraggeber oder eines von ihm Beauftragten aufgestellt.
Der Auftragnehmer erhält pro geleistete Stunde ein Stundensatz von 35 € (Brutto). Bei angefangenen Stunden wird ab der 16. Minute der halbe Stundensatz und ab der 46. Minute der volle Stundensatz vergütet.
Der Notarzt stellt die von ihm erbrachten Leistungen monatlich, bis spätestens 15. des übernächsten Monats, dem Kläger in Rechnung. Das Honorar wird auf das vom Notarzt angegebene Konto überwiesen.
Das Honorar wird nur für tatsächlich geleisteten Bereitschaftsdienst sowie im Einsatzfall geza...