Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Entgeltvereinbarungen für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
Leitsatz (amtlich)
1. Entgeltvereinbarungen für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gem § 6 Abs 2 KHEntgG (NUB-Vereinbarungen) können nur mit Geltung für ein oder mehrere Kalenderjahr(e) abgeschlossen werden; dem Begriff "befristete" in § 6 Abs 2 S 1 KHEntgG kommt keine darüber hinausgehende oder Abweichungen zulassende Bedeutung zu.
2. § 15 Abs 2 KHEntgG gilt auch für fallbezogene Entgelte für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden iS des § 6 Abs 2 KHEntgG. Nach Ablauf der Geltungsdauer einer NUB-Vereinbarung können die bis dahin vereinbarten fallbezogenen Entgelte somit über den 31. Dezember eines Jahres hinaus der Höhe nach weiter erhoben werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn (nachträglich) für das Folgekalenderjahr eine weitere NUB Vereinbarung geschlossen wird. Ob und unter welchen Bedingungen ein Anspruch eines Krankenhauses auf den Abschluss einer solchen Anschlussvereinbarung besteht, bleibt offen.
3. Der Weitererhebung der Entgelte gem §§ 15 Abs 2 iVm 6 Abs 2 KHEntgG steht nicht entgegen, dass ein Erlösausgleich im Sinne eines "Preisausgleichs" gem §§ 15 Abs 3 iVm 5 Abs 4 KHEntgG für diese Entgelte ausscheiden dürfte.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 965 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 24. Mai 2011 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung für die Anwendung einer so genannten “neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode„ (NUB) im Mai 2010 bei einem bei der Beklagten versicherten Patienten.
Im Krankenhaus der Beklagten wird im Rahmen seines Versorgungsauftrags eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode angewandt in Form eines “Drug Eluting Balloon„. Hierbei handelte es sich um einen medikamentenfreisetzenden Ballon in Koronargefäßen. Diese Methode wurde zum damaligen Zeitpunkt nicht mit den DRG-Fallpauschalen und bundeseinheitlich bepreisten Zusatzentgelten abgebildet, so dass für die Vergütung dieser Methode gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG ein krankenindividuell vereinbartes Entgelt erforderlich war.
Eine diesbezügliche Vereinbarung schlossen die Beteiligten erstmals am 23. Oktober 2009 für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2009 mit einem Entgelt pro Behandlungsfall von 965 EUR (im Folgenden: NUB-Vereinbarung 2009). Mit Bescheid vom 30. Oktober 2009 genehmigte das Regierungspräsidium Gießen gemäß § 14 KHEntgG diese Vereinbarung mit Wirkung vom 1. November bis 31. Dezember 2009.
Erst am 3. August 2010 kam es zwischen den Beteiligten bezüglich des “Drug Eluting Balloon„ zu einer weiteren Entgelt-Vereinbarung (im Folgenden: NUB-Vereinbarung 2010) mit folgendem Wortlaut:
“1. Die Parteien einigen sich für das Jahr 2010 auf folgende Entgelthöhe:
NUB 3 = 1.100,00 €
NUB 8 = 8,00 €
2. Diese Vereinbarung gilt befristet bis zum 30.04.2011.
(…)
3. Diese Entgelte sind ab Genehmigung dieser Vereinbarung bis zum 30.04.2011 abrechenbar und sind unabhängig von einer Vereinbarung gem. § 4 KHEntgG vereinbart.„
Die Bezeichnung “NUB 3„ meint den hier streitgegenständlichen Drug Eluting Balloon.
Das Regierungspräsidium Gießen erteilte mit Bescheid vom 30. August 2010 die Genehmigung der NUB-Vereinbarung 2010 mit Wirkung ab dem 1. September 2010, ohne dabei - anders als im Bescheid vom 30. Oktober 2009 - eine ausdrückliche Befristung der Genehmigung auszusprechen. Es führte vielmehr aus: “Die Abrechnung ist bis zum 30.04.2011 vereinbart.„
Mit Datum vom 21. April 2011 stellte die Klägerin der Beklagten die Vergütung für die Anwendung des “Drug Eluting Balloon„ bei deren Versichertem (,,,) i. H. v. 965 EUR in Rechnung, die die Beklagten nicht ausglich mit der Begründung, dass die NUB-Vereinbarung 2009 keine Abrechnungsgrundlage für Behandlungen im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. August 2010 darstelle.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 7. November 2011 hat die Klägerin Klage erhoben und verlangt die in Rechnung gestellte Vergütung. Sie führt zur Begründung aus, dass das im Jahr 2009 vereinbarte Entgelt (965 EUR pro Behandlungsfall) so lange weiter gelte, bis ein neues Entgelt vereinbart oder von der Schiedsstelle festgelegt werde. § 15 Abs. 2 Satz 2 KHEntgG bestimme, dass krankenhausindividuell zu vereinbarende Entgelte ab dem ersten Tag des Monats zu erheben seien, welcher auf die Genehmigung folgt. Für das NUB-Entgelt 2010 (1.100 EUR) bedeute dies, dass es erst ab 1. September 2010 erhoben werden könne. Für den davor liegenden Zeitraum bestimme § 15 Abs. 2 S. 3 KHEntgG, dass die zuvor vereinbarten Entgelte der Höhe nach weiter zu erheben seien. Dies gelte nur dann nicht, wenn ein bisher krankenhausindividuell vereinbartes Entgelt ab dem 1. Januar nicht mehr abgerechnet werden dürfe, weil die Leistung durch ein bundeseinheitlich bewertetes Entgelt aus den neue...