Entscheidungsstichwort (Thema)
Reichweite eines ergangenen Verwaltungsaktes unter Berücksichtigung einer zwischenzeitlichen Gesetzesänderung
Orientierungssatz
1. Die Reichweite eines Bescheides ergibt sich aus der Auslegung des Bescheides durch Heranziehung der Begründung.
2. Ein Bescheid bleibt wirksam, soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
3. Mit dem Wechsel aus einer zuvor bestehenden Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis tritt die Versicherungspflicht kraft Gesetzes ein. Der zuvor ergangene, die Versicherungsfreiheit feststellende Bescheid verliert seine regelnde Wirkung.
4. Hat der Versicherungsträger dem Betroffenen zuvor erklärt, der ergangene Bescheid sei so lange wirksam, bis er widerrufen wird, so ändert dies nichts an der gesetzlich wirksamen Regelung des § 39 Abs. 2 SGB 10. Die Begründungselemente eines Verwaltungsaktes können eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht außer Kraft setzen.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass seine Tätigkeit bei der Beigeladenen von der Versicherungspflicht befreit ist.
Der Kläger war von April 1994 bis Juli 1995 bei der C. GmbH in Dortmund bzw. Recklinghausen als Bauleiter und Kalkulator tätig. Von Juni 1997 bis Dezember 1997 war er als Bauleiter bei der N. GmbH in Lünen, sodann ab Januar 1998 bis Juni 2000 erneut bei der C. GmbH, ab Juli 2000 bis April 2001 bei der L. GmbH in Dortmund, ab Mai 2001 bis September 2008 bei der G. GmbH in Dortmund und von Oktober 2008 bis Oktober 2011 bei der N. GmbH in Lünen tätig. Seit November 2011 ist er als Bauoberleiter bei der Beigeladenen tätig.
Der Kläger beantragte am 04.07.1995 die Befreiung von der Versicherungspflicht. Mit Bescheid vom 05.09.1995 wurde der Kläger von der Versicherungspflicht befreit. Dabei wurde im Bescheid Folgendes ausgeführt:
"Die Befreiung gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung unter Beibehaltung der Mietgliedschaft in der jeweiligen Berufskammer, soweit Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu zahlen wären. Sie ist grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt.
Die Befreiung erstreckt sich auch auf andere versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt sind und insoweit satzungsgemäß einkommensbezogene Beiträge zur Versorgungseinrichtung gezahlt werden.
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Die BfA hat bei Wegfall der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch zu widerrufen.
Sie sind daher verpflichtet, der BfA die Umstände anzuzeigen, die zum Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn
- die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung endet - Versorgungsabgaben nicht mehr in der dem Einkommen entsprechenden Höhe zu entrichten sind.
Die Befreiung endet erst mit dem förmlichen Widerruf durch die BfA."
Der Kläger beantragte unter dem 15.01.2015 die Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Beklagten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.10.2015 ab, da die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da ausnahmslos jede Entscheidung über die Befreiung eines Pflichtmitgliedes eines Versorgungswerkes von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nur für eine ganz konkrete Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber oder für eine konkrete selbstständige Tätigkeit gelte. Eine einmal erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht entfalte keine Wirkung für ein späteres Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber. Eine Weitergeltung des Befreiungsbescheides vom 05.09.1995 scheide somit aus.
Hiergegen erhob der Kläger unter dem 08.11.2015 Widerspruch. Mit Bescheid vom 05.09.1995 sei er als Bauleiter von der Versicherungspflicht befreit worden. Heute übe er die Tätigkeit des Ingenieurs als Bauoberleiter aus. Hierbei handele es sich um keine wesentliche Änderung der Tätigkeit, so dass die Voraussetzungen für die Befreiung immer noch gegeben seien.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2016 als unbegründet zurück. Der Befreiungsbescheid vom 05.09.1995 könne für die ab dem 01.11.2011 ausgeübte Beschäftigung keine Wirkung entfalten. Dies sei auch dem Befreiungsbescheid vom 05.09.1995 zu entnehmen. In diesem werde ausgeführt, dass die Befreiung grundsätzlich auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige T...