Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. hinreichende Mitteilung über Gründe der Verzögerung iSd § 13 Abs 3a S 5 SGB 5. schriftliche Klarstellung
Leitsatz (amtlich)
1. Die hinreichende Mitteilung über Gründe der Verzögerung iSd § 13 Abs 3a S 5 SGB 5 setzt zwingend eine ausdrückliche schriftliche Klarstellung voraus, welche gesetzliche Entscheidungsfrist einschlägig ist und warum diese ggf. nicht eingehalten werden kann.
2. Versäumt es die Krankenkasse, das Verfahren von Beginn an so zu betreiben, dass ein Abschluss innerhalb der vorgesehenen Entscheidungsfrist (hier: 5-Wochen-Frist) erzielt werden kann, fehlt es grundsätzlich an einem hinreichenden Grund für eine Verzögerung.
Orientierungssatz
Az beim LSG Darmstadt: L 1 KR 134/16.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 16.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2015 eine laparoskopische Magen(Bypass(Operation als Sachleistung gemäß § 13 Abs. 3 a S. 6 SGB V zu gewähren.
2. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über das Bestehen einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Absatz 3 a Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Mit Schreiben vom 02.09.2014 - eingegangen am 04.09.2014 - beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine laparoskopischen Magen-BypassOperation zur Gewichtsreduktion bei krankhafter Adipositas Grad II (BMI 38,6), u.a. mit Diabetes mellitus Typ II und Hypertonie als Folgeerkrankungen. Dem Antrag war ein Gutachten des Krankenhauses Sachsenhausen vom 26.08.2014 beigefügt, wonach eine Magenbypass-Operation in Roux-Y Rekonstruktion indiziert sei.
Mit Schreiben vom 08.09.2014 forderte die Beklagte von der Klägerin weitere Unterlagen an (Beschreibung der Gewichtsentwicklung, Unterlagen über verhaltenstherapeutische und diätetische Maßnahmen, körperliche Befunde, mögliche Kontraindikationen, Sozialanamnese, Ernährungsprotokoll), die diese am 22.09.2014 übersandte.
Am 24.09.2014 forderte die Beklagte beim C. ein Gutachten an und teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tage mit. Der C. forderte mit Schreiben vom 30.09.2014 von der Klägerin noch eine “persönliche Darstellung zum Antrag (Fragebogen ist beigefügt)„ an unter Fristsetzung zum 09.10.2014.
Das daraufhin unter dem 15.10.2014 erstellte sozialmedizinische Gutachten des C. kommt zu dem Ergebnis, dass primär nochmals eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in einer auf Essstörungen spezialisierten Einrichtung erfolgen solle, die einen multimodalen Behandlungsansatz (Ernährungsberatung, Bewegungstraining und Verhaltenstherapie) anbiete. Über konservative Behandlungsversuche zur Gewichtsreduktion lägen nur vage Angaben vor. Eine bariatrisch chirurgische Operation sei jedoch erst ultima ratio nach Ausschöpfung der vorgenannten Maßnahmen.
Mit Bescheid vom 16.10.2014 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die beantragte Operation unter Verweis auf die Stellungnahme des C. ab. Die konservativen Therapien, insbesondere die Durchführung einer multimodalen Behandlung für die Dauer von sechs Monaten seien nicht erschöpft.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 04.10.2014 - eingegangen am 10.11.2014 - Widerspruch und reichte unter dem 10.11.2014 eine weitere Bescheinigung ihrer behandelnden Ärzte Dres. med. D. nach.
Die Klägerin hat anwaltlich vertreten am 26.11.2014 Klage zu dem Sozialgericht Gießen erhoben. Sie ist der Ansicht, dass eine bariatrische Operation als Sachleistung gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt gelte, da die Beklagte über ihren Antrag innerhalb der Fünf-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3 a Satz 1 SGB V nicht entschieden habe. Der am 02.09.2014 gestellte Antrag sei erst am 16.10.2014 beschieden worden. Eine rechtzeitige schriftliche Mitteilung der Beklagten über die Unmöglichkeit einer fristgerechten Entscheidung unter Darlegung hinreichender Gründe - wie § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V dies vorschreibe - sei nicht erfolgt. Mit dem Eintritt der Genehmigungsfiktion sei das Antragsverfahren in der Hauptsache erledigt. Es bestehe ab diesem Zeitpunkt - neben der Möglichkeit der Forderung der Kostenerstattung nach Selbstbeschaffung - ein originärer Sachleistungsanspruch, der im Wege der Feststellungsklage zu verfolgen sei. Die Beklagte sei nunmehr mit Einwendungen ausgeschlossen. Die im Zuge des Patientenrechtsgesetzes 2013 eingeführte Norm diene der Entscheidungsbeschleunigung und entfalte Sanktionscharakter. Die beantragte Leistung sei auch unproblematisch genehmigungsfähig, da es sich um eine Leistung innerhalb des Systems der GKV handele.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin im laufenden Klageverfahren zurück.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 16.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2015 eine laparoskopische Magen-Bypass-Operation als Sachleistung ...