Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung bei Erwerbsminderung. kostenloses Mittagessen in Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). abweichende Festlegung des Regelbedarfs. kein Einkommenseinsatz. keine abweichende Festlegung für Ersparnis an Energie und Wasser
Orientierungssatz
1. Wird im Rahmen der Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) nach dem SGB 12 - Sozialhilfe - ein kostenloses Mittagessen gewährt, ist der Regelsatz der Sozialhilfe abweichend festzulegen, um die dort pauschal enthaltenen Kosten der Ernährung nicht mehrfach zu berücksichtigen (Anschluss an BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R = BSGE 102, 126 = SozR 4-3500 § 54 Nr 3).
2. Die Absenkung des Regelsatzes aufgrund der anderweitigen Bedarfsdeckung im Rahmen des § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 ist lediglich ein Element innerhalb der Berechnung der Höhe der Leistung.
3. Eine weitere Absenkung des Regelsatzes wegen ersparter Aufwendungen für Kochenergie, Abwaschwasser und Wärme während des Aufenthaltes in der Wohnung ist nicht gerechtfertigt. Abzustellen ist im Rahmen einer erforderlichen Gesamtbetrachtung (vgl BVerwG vom 16.1.1986 - 5 C 72/84 = BVerwGE 72, 354 = FEVS 35, 271) nur auf erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweichenden Bedarf von nicht nur unbedeutendem wirtschaftlichen Umfang sowie auf nicht nur möglicherweise eintretende Ersparnisse.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung von Mittagessen auf Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII).
Der am 1973 geborene Kläger ist behindert. Er leidet am Down-Syndrom. Er lebt im Haushalt seiner Mutter und arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte. Dort erhält er neben einem Monatseinkommen von 105,02 Euro an jedem Anwesenheitstag ein Mittagessen. Am 26.11.2002 stellte der Kläger einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen. Mit Bescheid vom 15.07.2003 und nachfolgenden Bescheiden wurde dem Kläger Grundsicherungsleistungen nach dem Grundsicherungsgesetz und ab 01.01.2005 nach dem SGB XII gewährt. Aufgrund einer Nachprüfung der Verhältnisse und eines Hinweisschreibens des Thüringer Landesamtes für Soziales und Familie vom 15.08.2007 wurde durch Bescheid vom 13.12.2007 dem Kläger Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum 01.01.2008 bis zum 31.12.2008 bewilligt. In der Bedarfsberechnung wurde das kostenlose Mittagessen in der Werkstatt für Behinderte, das der Kläger dort einnahm, mit 28,- Euro monatlich als Einkommen angerechnet.
Durch Schreiben vom 27.12.2007 legte der Kläger Widerspruch ein hinsichtlich der Anrechnung des Mittagessens als Einkommen. Der Kläger legte im Wesentlichen dar, dass hinsichtlich der Einkommensanrechnung die Ausnahmeregelung des § 82 Abs. 1 SGB XII zu beachten sei, wonach Leistungen des SGB XII nicht als Einkommen gälten. Das kostenfreie Mittagessen sei kein Einkommen, sondern von seiner Rechtsnatur eine Leistung nach dem SGB XII. Auf den Antrag des Klägers vom 22.02.2008 gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 25.02.2008 dem Kläger für die Zeit vom 01.04.2008 bis 31.03.2009 Leistungen der Grundsicherung in Höhe von 181,84 €. Der Regelbedarf wurde wiederum um 28,- € monatlich für die Einnahme eines kostenlosen Mittagsessen in der Werkstatt für Behinderte gemindert. Mit Bescheid vom 26.02.2008 änderte der Beklagte den Bescheid vom 13.12.2007 ab und gewährte dem Kläger für den Monat Januar 2007 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 178,03 €. In diesem Bescheid wurde berücksichtigt, dass der Kläger im Januar 2008 wegen Urlaubs nicht im gesamten Monat kostenloses Essen in der WfB in Anspruch genommen hatte. Gegen diese Bescheide wurde ebenfalls (mündlich) Widerspruch durch den Kläger erhoben. Durch Widerspruchsbescheid vom 29.05.2008 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Der Beklagte führte im Wesentlichen aus, dass der Widerspruch unbegründet sei. Gemäß § 82 Abs. 1 SGB XII gehörten zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Geldeswert seien Natural- und Sachbezüge u. a. auch Kost. Die Einnahme des Mittagessens sei ein geldwerter Vorteil, der es rechtfertige, den im Regelsatz bereits enthaltenen Betrag für das Mittagessen entsprechend zu kürzen. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII.
Hiergegen richtet sich die am 25.06.2008 eingegangene Klage. Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, dass ihm Grundsicherungsleistungen ohne Anrechnung des in der Behindertenwerkstatt eingenommenen Mittagessens zu gewähren seien. Er erhalte für seine Tätigkeit Leistungen nach § 54 Abs. 1 SGB XII i. V. m. § 41 SGB IX. Eine Anrechnung komme auch nicht im Wege der vorgenommenen Regelbedarfskürzung in Frage. Die Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, wonach die Bedarfe abweichend festgelegt werden, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt sei, könne nur Wirkung im Bereich der Hilfe zum Lebensunter...