Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenfestsetzung. Erstattungsfähigkeit von Flugreisekosten eines Rechtsanwalts. quotale Beantragung bei Wahrnehmung mehrerer Termine
Leitsatz (amtlich)
1. Flugreisekosten sind dann erstattungsfähig, wenn die Mehrkosten einer Flugreise nicht außer Verhältnis zu den Kosten einer Bahnfahrt erster Klasse stehen.
2. Nimmt der Anwalt anlässlich seiner Reise mehrere Termine war und wird die Festsetzung der Reisekosten deshalb nur quotal beantragt, kann der Kostenschuldner hiervon nicht dadurch profitieren, dass sich der Kostengläubiger einen Abzug gefallen lassen müsste, falls die Kosten für die Flugreise nicht in voller Höhe erstattungsfähig gewesen wären, wenn der Anwalt nur einen Termin wahrgenommen hätte (Anschluss OLG Köln, Beschluss vom 28.4.2010 - 17 W 60/10 = MDR 2010, 1287).
Tenor
Die Erinnerung gegen den Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 27. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Der Erinnerungsführer hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Erinnerungsverfahren wird auf 82,64 € festgesetzt.
Gründe
I.
Strittig ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Kostenfestsetzungsverfahren. Der Erinnerungsführer wendet sich ausschließlich gegen die Höhe der festgesetzten Reisekosten für das Flugticket i.H.v. 82, 64 €.
Der Erinnerungsführer wendete sich in dem Klageverfahren gegen die Aufhebung des von ihm gegen die Erinnerungsgegner - im Klageverfahren Beigeladenen zu 1) - beantragten Arzneimittelregresses durch den Beklagten. Das Sozialgericht Hamburg wies die Klage ab und verurteilte den Erinnerungsführer zur Tragung der Verfahrenskosten einschließlich der Kosten der Erinnerungsgegner. Die hiergegen eingelegte Berufung nahm der Erinnerungsführer zurück. Zum Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Hamburg am 5. November 2008 reiste der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsgegner mit dem Flugzeug an. Die entsprechenden Kosten hat die Kanzlei jeweils auf der Basis des Tarifs für die Business-Class zur Festsetzung angemeldet. Da der Prozessbevollmächtigte der Erinnerungsgegner in dem Termin am 5. November 2008 insgesamt 7 Termine als Prozessvertreter wahrgenommen hat, haben die Prozessbevollmächtigten die jeweiligen Kosten nur quotal in dem vorliegenden Rechtsstreit (1/7) zur Festsetzung angemeldet.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Kostenfestsetzung antragsgemäß vorgenommen.
Hiergegen richtet sich der Erinnerungsführer mit seinem Rechtsmittel.
Er ist der Ansicht, die Kosten für einen Flug in der Business-Class seien nicht erstattungsfähig. Zugrunde zu legen sei der Tarif der Economy-Class. Ein solches Ticket koste unter 300 €. Auf die jeweilige Rechnung entfielen dann geteilt durch 7 pro Verfahren maximal 43 €.
Die Sache wurde der Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1) Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.
Zu Recht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Reisekosten in der beantragten Höhe festgesetzt.
Nach der Grundregel des § 91 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) sind nur die Kosten vom Gegner zu erstatten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Das sind solche Kosten, die eine verständige Prozesspartei als sachdienlich ansehen durfte. Dabei hat sie die Kosten so niedrig als möglich zu halten, solange sich dies mit der vollen Wahrung ihrer Rechte vereinbaren lässt. Dieses Gebot ergibt sich aus § 242 Bürgerliches Gesetzbuch ≫BGB≪ (Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Auflage 2011, § 91 ZPO Rdn. 22). Unter mehreren gleichartigen Maßnahmen ist die kostengünstigste auszuwählen (OLG Köln, Beschluss vom 28. April 2010 - 17 W 60/10, MDR 2010, 1287 f.).
Geht es um die Erstattung von Flugreisekosten, so rechtfertigt die Zeitersparnis die Mehrkosten für eine Flugreise nicht schlechthin, wie sich aus der Verweisung in § 91 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. ZPO auf § 5 Abs. 1 und 3 JVEG ergibt. Ausgehend von der letztgenannten Vorschrift sind Fahrtkosten, die über den Betrag der Bahnkosten hinausgehen, nur ausnahmsweise erstattungsfähig. Im Falle von Flugkosten hat die Rechtsprechung Erstattungsfähigkeit nur bei Auslandsreisen sowie nur dann bejaht, wenn die Mehrkosten einer Flugreise nicht außer Verhältnis zu den Kosten einer Bahnfahrt erster Klasse stehen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 28. April 2010 - 17 W 60/10, MDR 2010, 1287 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. März 2010 - 8 W 121/10, MDR 2010, 898; Madert/Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u. a., RVG, 19. Auflage 2010, Nr. 7003, 7004 VV RVG Rn. 30). Soweit sich der Erinnerungsgegner auf die Entscheidungen des OLG Hamburg vom 23. April 2008 (8 W 43/08) beruft, schließt sich die Kammer den dortigen Auffassungen zur Erstattungsfähigkeit der Kosten der "Business Class" nicht an. Auch wenn das JVEG nur die Reisekosten der Partei betrifft, ist der Rechtsanwalt nicht schlechter zu stellen als die Partei selbst, aber auch nicht besser. Im Übrigen ist es auch nicht Aufgabe des Prozessgegners wäh...