Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlersozialversicherung. Tattookünstlerin. Anerkennung als Künstlerin iSd § 2 S 1 KSVG. Arbeitsschwerpunkt in der freien schöpferischen Gestaltung. Vergleichbarkeit der Arbeiten mit denen einer Grafik-Designerin, Illustratorin oder Kunstmalerin im Einzelfall. gestalterische Ausbildung an Kunsthochschule. Entwicklung eines eigenen illustrativen Stils und einer speziellen Ästhetik. Teilnahme an Ausstellungen, in denen Arbeiten von Tätowierern als künstlerische Werke präsentiert werden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Tattookünstlerin kann dann als Künstlerin im Sinne des § 2 S 1 KSVG anzuerkennen sein, wenn der Schwerpunkt ihrer Arbeit nicht im Einsatz handwerklich-manueller Tätigkeiten, sondern in der freien schöpferischen Gestaltung liegt.

2. Eine Vergleichbarkeit der Arbeiten einer Tattookünstlerin mit denen einer Grafik-Designerin, Illustratorin oder Kunstmalerin kann im Einzelfall vorliegen, wenn sie eine gestalterische Ausbildung an einer Kunsthochschule absolviert hat, einen eigenen illustrativen Stil und eine spezielle Ästhetik als Künstlerin entwickelt hat.

3. Eine Tattookünstlerin hat den handwerklich geprägten Bereich des Tätowierens verlassen, wenn sie an Ausstellungen teilgenommen hat, in denen Arbeiten von Tätowierern als künstlerische Werke präsentiert werden.

 

Tenor

1. Die Bescheide der Beklagten vom 24.01.2018 und vom 28.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2018 werden aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Tattookünstlerin und Illustratorin bei der Beklagten gemäß den Vorschriften der Künstlersozialversicherung ab dem 10.05.2017 in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist.

3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht der Klägerin in ihrer Tätigkeit als Tattoo-Artist nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) streitig.

Die 1980 geborene Klägerin hat 2009 ein Studium als Kommunikations-Designerin an der M. mit dem Diplom abgeschlossen. Seit 2010 arbeitet sie in einem eigenen Atelier als Illustratorin und kreiert Stofffiguren, die für Editorials, Poster oder Cover fotografisch in Szene gesetzt werden. Daneben tätowiert sie in einem Tattoostudio.

Sie beantragte bei der Beklagten am 10. 5. 2017 die Aufnahme in die Künstlersozialversicherung. Hierzu führt der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 5. Mai 2017 aus, dass es sich bei den Tätowierungen der Klägerin um exklusive und einmalige Illustrationen handele, deren Schwerpunkt im Entwurf und in der Umsetzung der eigenen Tätowierungen liege. Sie habe als Künstlerin bereits mehreren Ausstellungen teilgenommen und zwar im Jahr 2011 an einer Groupshow der H. (4.8. -12.8., C.), im Jahr 2013 an der Kreativnacht S. (6.8.) und am 28.9. an einer Groupshow (F.). Im Jahr 2014 folgten eine Charity Groupshow (6. 9.bis 8. 9. B1), die Ausstellung „Z.“ vom 17. 9 bis 20. 9. auf dem R. Festival und die Ausstellung „F1“ des T. Magazine E. in der A. Gallery, L. (15. 9.bis 24. 10.). Besonders zu erwähnen sei die Teilnahme an der Tattoo- Ausstellung des Museums K. vom 13.2.-6.9.2015. Im gleichen Jahr habe sie an der B. Groupshow (10.4.. - 12.4.) und an der Groupshow des Museums A1 teilgenommen. Geplant sei für das Jahr 2018 die Teilnahme an einer Gruppenausstellung in den Vereinigten Staaten von Amerika mit namhaften Künstlern der Szene (4.1. bis 4. 2. in C.). Damit habe die Klägerin ein handwerklich geprägtes Berufsfeld verlassen und einen künstlerischen Berufsbereich gewählt. Sie sei auch grundsätzlich bereit, Mitglied einer Künstlervereinigung zu werden und bitte um einen Hinweis, welche Künstlervereinigung von der Beklagten anerkannt werde.

Außerdem habe das Hanseatische Oberlandesgericht (Urteil vom 4.5.2011, AZ 5 U 207/10) Tätowierungen, wenn es sich um komplexe Bildkompositionen handele, als persönliche-geistige Schöpfungen im Sinne von § 2 Urhebergesetz qualifiziert. Die Klägerin arbeite auch als Illustratorin, mit deren Tätigkeit sie im Jahr 2017 im 1. Halbjahr 70 %, im zweiten Halbjahr 30 % ihrer Einnahmen erziele. Für 2018 schätze sie ihr Einkommen auf 20.000 € im Kalenderjahr ein, woraus sie 60 % aus der Erstellung von Illustrationen für Werbe-und Printmedien erzielen werde und 40 % für die Erstellung von Illustrationen für die Umsetzung zu Tätowierungen.

Mit Bescheid vom 24.1.2018 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliege. Die Tätigkeit der Klägerin könne nicht als künstlerisch / publizistisch im Sinne dieses Gesetzes angesehen werden, weil der Schwerpunkt der Tätigkeit nach eigenen Angaben im Bereich der Tätigkeit als Tätowiererin liege. Der Bereich der klassischen Tattoo-Szene sei nicht verlassen worden. Die Ausstellungen H. und A. Gallery, L. könnten im Internet nicht mit der Klägerin in Zusammenhang gebracht werden. Die Ausstellung ...

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