Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Erstattung der Aufwendungen für Kostenübernahme bei Sozialhilfeempfängern. keine Ausschlussfrist nach § 111 SGB 10. vierjährige Verjährungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die Übernahme der Krankenbehandlungen von Sozialhilfeempfängern aufgrund gesetzlichen Auftrags (§ 264 SGB 5) unterliegt nicht der Ausschlussfrist des § 111 SGB 10.
2. Der Erstattungsanspruch aus § 264 Abs 7 SGB 5 verjährt gem. § 113 SGB 10 in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.256,07 € zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
2. Der Streitwert wird auf 5.256,07 € festgesetzt.
Tatbestand
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Erstattung erbrachter Aufwendungen zuzüglich Verwaltungskosten.
Die Klägerin führt im Auftragsverhältnis für die Beklagte nach § 264 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) die Krankenbehandlung von Leistungsempfängern nach dem dritten bis neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sowie von nicht versicherten Krankenhilfeleistungsempfängern nach dem Sozialgesetzbuch Achten Buch (SGB VIII) durch.
In der auf den 23. Oktober 2009 datierten Abrechnung für das dritte Quartal 2009 machte die Klägerin unter anderem Leistungsaufwendungen für Sprechstundenbedarf aus dem Jahr 2005 geltend.
Mit Schreiben vom 6. November 2009 lehnte die Beklagte die Erstattung für die im Jahr 2005 erbrachten Leistungen ab. Ausgehend von dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Juni 2008 handele es sich bei § 264 Abs. 2 bis 7 SGB V um ein gesetzliches Auftragsverhältnis. Bei gesetzlichen Aufträgen sei auf die in den §§ 662 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) enthaltenen Rechtsgedanken zurückzugreifen, soweit nicht § 93 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und die in Bezug genommenen Vorschriften eigene Regelungen träfen. In diesen Vorschriften sei die Verjährung des Erstattungsanspruchs nicht geregelt, sodass in entsprechender Anwendung der §§ 195, 199 BGB eine dreijährige Verjährungsfrist gelte, die hier mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei, begonnen habe. Da die Klägerin Kosten aus dem Jahr 2005 geltend mache, sei der Anspruch bereits mit Ende des Jahres 2008 verjährt gewesen. Deshalb habe die Beklagte die Rechnungen vom 23. Oktober 2009 um einen Betrag in Höhe von insgesamt 5.256,07 € gekürzt.
Die Klägerin trat dieser Rechtsauffassung mit Schreiben vom 25. November 2009 entgegen und führte aus, dass sich die Verjährung des Erstattungsanspruchs einer Krankenkasse nach § 264 Abs. 7 SGB V gegenüber dem Träger der Sozialhilfe nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X richte. Für die im Jahr 2005 erbrachten Leistungen habe die Verjährungsfrist daher am 1. Januar 2006 begonnen und werde am 31. Dezember 2009 ablaufen. Die Forderung bestehe daher zu Recht und sei von der Beklagten auszugleichen.
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2009, 23. Dezember 2009, 5. Januar 2010, 16. Februar 2010 sowie 4. März 2010 bekräftigten die Beteiligten ihre jeweiligen Rechtsauffassungen. Die Klägerin hat die ausstehenden Beträge zusätzlich mit mehreren Schreiben vom 12. März 2010 bei der Beklagten angemahnt.
Am 25. März 2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben.
Sie wiederholt ihre Ausführungen aus dem vorgerichtlichen Schriftwechsel zwischen den Beteiligten und beantragt sinngemäß,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 5.256,07 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens ist die Beklagte der Auffassung, dass selbst unter Annahme der Geltung eines allgemeinen Rechtsprinzips, wonach im Sozialrecht immer eine vierjährige Verjährungsfrist einschlägig sein solle, dies jedenfalls dann nicht gelten könne, wenn die Besonderheiten des Rechtsverhältnisses dies nicht rechtfertigten. Eine Analogie zu den Vorschriften des § 45 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) bzw. § 113 SGB X erübrige sich, da vorrangig die Grundgedanken des Auftragsrechts heranzuziehen seien.
Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Bl. der Gerichtsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist das Gericht auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten, die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 114 Satz 1 SGB X eröffnet.
Das Sozialgericht Hamburg ist nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) örtlich zuständig....