Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Betriebsweg. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. betriebliches Interesse. Verkehrskontrolle. Nichtvorliegen einer gültigen Fahrerlaubnis. Weigerung der Herausgabe des Fahrzeugschlüssels. Arbeitgeberinteresse: polizeiliche Maßnahme zur Sicherstellung des Fahrzeugs
Orientierungssatz
Bei einem auf einem Betriebsweg grundsätzlich versicherten Spediteurfahrer während einer Verkehrskontrolle, tritt spätestens mit dessen Weigerung, die Fahrzeugschlüssel wegen der nichtvorliegenden gültigen Fahrerlaubnis an die Polizei herauszugeben, eine Zäsur bzw eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit ein, da die polizeiliche Maßnahme zur Sicherstellung des Fahrzeugs bzw der Fahrzeugschlüssel im Interesse des Arbeitgebers stand.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall.
Der 1961 geborene Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und war am frühen Morgen des 6. April 2019 als Fahrer eines Logistikbetriebes mit einem Lkw-Gespann auf einer Landesstraße in Thüringen unterwegs. Wegen auffälliger Fahrweise wurde der Kläger von dem Polizeimeisteranwärter G. und dem Polizeihauptmeister H. angehalten. Bei der Kontrolle der Fahrtüchtigkeit ergaben sich keine Anhaltspunkte für den Konsum von Alkohol oder Drogen. Bei der weiteren Überprüfung stellte die Polizei jedoch fest, dass der Führerschein des Klägers am 29. Mai 2018 zur Beschlagnahme ausgeschrieben war. Daraufhin untersagten die Beamten dem Kläger die Weiterfahrt und forderten ihn auf, das Fahrzeug zu verschließen. Nachdem der Kläger dem nachgekommen war, verlangten die Polizisten die Herausgabe des Fahrzeugschlüssels, den der Kläger noch in seiner rechten Hand hielt.
Hiernach sind die Einzelheiten streitig. Die Polizeibeamten gaben an, der Beamte H. habe nach mehrmaligem Auffordern, den Schlüssel herauszugeben, den rechten Arm des Klägers ergriffen, an dem er den Schlüssel hielt. Der Beamte G. habe den linken Arm ergriffen. Darauf habe der Kläger versucht sich loszureißen, wogegen die Polizisten mit anfänglich leichtem Kraftaufwand entgegen gewirkten hätten. Dies habe den Kläger veranlasst, ebenfalls seinen Kraftaufwand zu erhöhen. Er habe seinen Körper gedreht, den Oberkörper vorgebeugt und die Armmuskulatur angespannt. Dadurch sei es zu einer hörbaren Verletzung am Arm gekommen. Danach habe der Kläger den Widerstand aufgegeben. Der Kläger behauptete, er habe den Fahrzeugschlüssel zunächst nicht herausgeben wollen, weil er den Grund dafür habe in Erfahrung bringen wollen. Er habe vor allem Sorge um das transportierte Gefahrgut gehabt. Daraufhin habe der kontrollierende Polizeibeamte ohne Vorwarnung sofort Kraft aufgewandt, indem er seine rechte Hand ergriffen und diese so verdreht habe, dass sie hörbar gebrochen sei.
Der Kläger erlitt bei dem Ereignis eine Ellenbogendistorsion rechts mit partiellem Abriss des prozessus coronoideus . Die Erstversorgung erfolgte im Zentralklinikum Suhl mittels Anlage eines Oberarmgipses.
Nach Anmeldung eines Erstattungsanspruchs durch die Krankenkasse des Klägers leitete die Beklagte Ermittlungen ein und zog die einschlägige Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Meiningen bei.
Die Staatsanwaltschaft Meiningen hat gegen die Polizisten G. und H. nach Strafanzeige des Klägers ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet und dieses mit Verfügung vom 20. August 2020 (Az.: 182 Js 11545/19) mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers hat die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft mit bestandskräftigem Bescheid vom 30. Oktober 2020 (Az.: 341 Zs 570/20) verworfen. Das ebenfalls gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurde mit Verfügung vom 21. Juni 2019 eingestellt (Az.: 434 Js 8338/19).
Mit Bescheid vom 22. September 2020 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfallereignisses vom 6. April 2019 als Arbeitsunfall ab. Der Kläger habe sich geweigert, den Polizeibeamten die Fahrzeugschlüssel auszuhändigen und habe aktiv Widerstand geleistet. Somit habe er sich zum Unfallzeitpunkt aus rein privaten Beweggründen in eine Auseinandersetzung mit der Polizei begeben, weshalb keine versicherte Tätigkeit mehr vorgelegen habe und der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen sei.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, die Polizeibeamten hätten rechtswidrig gehandelt. In einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren werde ein strafbares Handeln der Polizeibeamten überprüft. Entgegen der Annahme der Beklagten habe der Kläger den Lkw nach Aufforderung der Polizei abgestellt und abgeschlossen. Die Fahrzeugschlüssel habe er jedoch nicht übergeben, weil er der deutschen Sprache nicht mächtig gewesen sei und daher den Grund des Herausgabeverlangens nicht verstanden habe. Ohne erneute Aufforderung habe ...