Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragszahlung des Arbeitgebers zur gesetzlichen Rentenversicherung nach § 172 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6. keine Erhöhung der Altersrente. Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 5 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 6 und § 172 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6

 

Orientierungssatz

1. Zeiten, in denen Arbeitgeber nach § 172 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 allein Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet haben, begründen keine Beitragszeiten. Diese Zeiten führen daher zu keiner höheren Altersrente.

2. Die Regelungen zur Versicherungsfreiheit von Beziehern einer Vollrente wegen Alters (§ 5 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 6) und zur Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beitragsabführung zur gesetzlichen Rentenversicherung ohne Zuordnung dieser Beiträge zum Versicherungskonto des Arbeitnehmers (§ 172 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6) verstoßen nicht gegen Verfassungsrecht (vgl LSG Halle vom 18.7.2007 - L 1 RA 248/03 sowie LSG Stuttgart vom 16.6.2015 - L 9 R 4276/12 und vom 18.12.2020 - L 8 BA 2549/19).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die rückwirkende Gewährung höherer Altersrente unter Berücksichtigung weiterer, allein von seinem Arbeitgeber getragener Beiträge zur Rentenversicherung.

Der 1950 geborene Kläger bezieht seit 01.03.2014 Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Rentenbescheid vom 02.04.2014). Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der Firma … wurde festgestellt, dass der Kläger dort als Fremdgeschäftsführer abhängig beschäftigt war. Mit Bescheid vom 04.08.2020 wurden vom Arbeitgeber ua Beiträge für den Kläger zur Rentenversicherung für die Zeit vom 01.06.2016 bis 31.12.2019 nachgefordert.

Mit Schreiben vom 13.08.2020 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten, ob und ggf in welcher Höhe die nachgeforderten Beiträge zu einer Erhöhung seiner Rente führten.

Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 28.09.2020, die vom Arbeitgeber zu entrichtenden Beiträge für die Zeit vom 01.06.2016 bis 31.12.2019 wirkten sich auf die Altersrente nicht aus. Seit 01.01.2017 könnten Beitragszeiten nach Beginn einer Altersrente auch für Zeiten des Altersvollrentenbezugs bis zum Ablauf des Monats vorliegen, in dem die Regelaltersgrenze erreicht werde. Versicherungsfreiheit trete erst ein, wenn eine Vollrente wegen Alters nach Ablauf des Monats bezogen werde, in dem die Regelaltersgrenze erreicht worden sei. In diesem Fall könnten Beschäftigte nach § 5 Abs 4 Sätze 2 bis 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2017 geltenden Fassung auf die Versicherungsfreiheit verzichten. Der Kläger habe die Regelaltersgrenze im Dezember 2015 erreicht, auf die Versicherungsfreiheit habe er nicht verzichtet, an der Beitragstragung sei nur der Arbeitgeber beteiligt. Das Schreiben enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.

Am 07.10.2020 erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, es sei erheblich bedenklich und fragwürdig, wenn die vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer entrichteten Beiträge zur Erhöhung der Rente ausgeschlossen würden. Im Übrigen könne nicht einfach das Gesetz zum 01.01.2017 geändert werden, ohne dies den Versicherten in verständlicher Form mitzuteilen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Personen, die eine Vollrente wegen Alters erhielten, seien nach § 5 Abs 4 Satz 1 Nr 1 SGB VI versicherungsfrei nach Ablauf des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht worden sei. Eine Berücksichtigung der vom Arbeitgeber entrichteten Beiträge für die Zeit vom 01.06.2016 bis 31.12.2019 sehe der Gesetzgeber nicht vor.

Hiergegen richtet sich die am 09.12.2020 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Der Kläger wendet sich gegen die Einziehung von Rentenversicherungsbeiträgen, ohne dass eine Gegenleistung dafür erbracht werde. Dass die maßgebende Regelung verhindern solle, dass Arbeitgeber Rentner einstellten, halte er für diskriminierend und verfassungswidrig. Rentner seien zur Vermeidung von Altersarmut zunehmend auf eine Nebentätigkeit angewiesen. Es entspreche nicht seinem demokratischen und rechtsstaatlichen Empfinden, dass diese Beiträge nicht dem Versicherten auf die Rente angerechnet würden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.09.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2020 zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheids vom 02.04.2014 höhere Altersrente unter Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten vom 01.06.2016 bis 31.12.2019 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

Mit Schreiben vom 04.03.2021 hat das Gericht die Beteiligten auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Kammer kann durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs 1 Sozi...

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