Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. mehrtägige berufliche Tagung. geselliges Beisammensein. nächtlicher Treppensturz. Alkoholkonsum
Orientierungssatz
Zur Anerkennung des auf einer beruflichen Tagung erfolgten nächtlichen Sturzes eines Betriebsratsmitglieds mit knapp zwei Promille Alkohol im Blut als Arbeitsunfall.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Mai 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 12. April 2013 verurteilt, den Unfall vom 20. April 2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung des Unfalls vom 20. April 2010 als Arbeitsunfall.
Der 19… geborene Kläger ist Betriebsrat bei B.. Vom 19. bis 21. April 2010 fand im Hotel X. in B. eine Betriebsräteversammlung statt. In der Tagesordnung war am ersten Tag beginnend ab 14:00 Uhr die Erörterung von vier Tagesordnungspunkten vorgesehen. Die Diskussion endetet am Abend zwischen 19:00 und 19:30. Gegen 1:00 in der Nacht ist der Kläger im Treppenhaus des Tagungshotels gestürzt. Laut des Durchgangsarztberichts von Prof. Dr. X. traf der Kläger um 3:55 Uhr in der Notaufnahme mit Kopf- und Lungenverletzungen ein. Zuvor hatte ihn der Notarzt am Unfallort intubiert. Der Kläger sei bewusstlos im Treppenhaus vorgefunden worden, der Unfallhergang unklar. Es handle sich um einen Treppensturz nach dem Essen im alkoholisierten Zustand. Die Messung des Blutalkohols (BAK) ergab 1,99 Promille.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ein Arbeitsunfall nicht vorliege, da er sich zum Unfallzeitpunkt in alkoholisiertem Zustand befand.
Hiergegen wendete sich der Kläger mit seinem Widerspruch. Zur Begründung führte er insbesondere aus, der Unfallversicherungsschutz sei aufgrund der ermittelten BAK nicht entfallen, da diese bei Fußgängern nicht zu einer Verkehrsuntüchtigkeit führe. Nach Berichten seiner Kollegen habe er dreimal einen Viertelliter Wein getrunken.
Die Beklagte befragte anschließend den Kläger, der am 7. November 2010 mitteilte, er habe keine Erinnerungen an den Unfall. In einer internen Email teilte er Herrn X. mit, die Gemeinschaftshilfe-Sitzung sei um ca. 19:15-19:30 Uhr zu Ende gewesen. Die Beklagte versuchte anschließend Zeugen des Unfalls zu ermitteln. Am 12. Januar 2011 beantwortete der Betriebsrat einen Fragebogen der Beklagten. Er habe den Unfallhergang nicht beobachtet und gemeinsam mit anderen Kollegen erste Hilfe geleistet. Der Unfallhergang sei wahrscheinlich ein Treppensturz gewesen.
Nachdem der Sachbearbeiter zunächst dem Widerspruch abhelfen wollte (S. 34 der Verwaltungsakte) wurde der Kläger nochmals befragt. Er teilte am 14. April 2012 insbesondere mit, auch nach dem Essen beschäftige man sich mit den Problemen der B. GmbH gemeinsam mit anderen Kollegen und man müsse sich auf den nächsten Tag vorbereiten. Daraufhin kam die Beklagte zu der Einschätzung, dass nicht bewiesen werden könne, dass sich der Verletzte zum Unfallzeitpunkt bei einer betrieblichen Tätigkeit befunden habe. Zu Gunsten des Verletzten lasse es sich nicht nachweisen, dass der Alkohol zum Unfallzeitpunkt die rechtlich wesentliche Ursache zur Entstehung des Unfalls gebildet habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Trotz Ausschöpfung aller Ermittlungen könne nicht nachgewiesen werden, dass der Kläger in der Zeit nach Einnahme des Abendessens bis 1:00 Uhr einer versicherten Tätigkeit nachgegangen sei.
Hiergegen richtet sich die Klage. Zur Begründung verweist der Kläger auf Rechtsprechung zum Unfallversicherungsschutz bei mehrtägigen Geschäftsreisen
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Mai 2010 und des Widerspruchsbescheid vom 12. April 2013 zu verurteilen, den Unfall vom 20. April 2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist Sie auf die angegriffenen Bescheide.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte, insbesondere die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Anerkennung des Ereignisses vom 20. April 2010 als Arbeitsunfall.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Hierfür ist erforderlich, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang...