Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. kein Anspruch auf Minderverdienstausgleich wegen eines Arbeitsunfalls. keine unmittelbare oder analoge Anwendung: Übergangsleistung gem § 3 Abs 2 BKV. keine Grundrechtsverletzung gem Art 3 Abs 1 GG oder Art 2 Abs 1 GG
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung des § 3 Abs 2 der Berufskrankheitenverordnung ist bzgl eines durch die Folgen eines Arbeitsunfalls entstandenen Minderverdienstes des Versicherten weder unmittelbar noch analog anzuwenden. Dies verstößt weder gegen Grundrechte des Versicherten aus Art 2 des Grundgesetzes noch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes.
Orientierungssatz
1. Az beim LSG: L 6 U 3152/16
2. Aus einem eventuellen Verstoß gegen das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG) erwachsen dem Grundrechtsträger keine konkreten Sozialleistungsansprüche, die über die Sicherung des unverzichtbaren, menschenwürdigen Existenzminimums hinausgehen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung eines Minderverdienstausfalls wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls.
Der 1980 geborene, bis zum 15.11.2014 als Betonarbeiter beschäftigt gewesene Kläger zog sich während seiner versicherten Tätigkeit am 17.10.2013 eine Quetschung der rechten Mittelhand zu, als ihm ein schweres Metallteil auf die Hand fiel. Die Zahlung von Verletztengeld stellte die Beklagte mit Ablauf des 08.11.2015 mit der Begründung ein, mit dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit sei nicht zu rechnen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen (Bescheid vom 05.11.2015).
Gestützt auf Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. und des Chirurgen Prof. Dr. K. sowie eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. W.-S. anerkannte die Beklagte das Unfallereignis als Arbeitsunfall und als dessen Folgen:
“Am rechten Arm:
Nach schwerer Quetschverletzung der Hand deutliche Einschränkung bei der Unterarmauswärtsdrehung und minimaler bei der Einwärtsdrehung. Bewegungseinschränkung der Hand, inkompletter Faustschluss, inkomplette Streckung der Langfinger, Pfötchenstellung der Hand, reduzierte Handspanne, Minderung der groben Kraft, Chronisch regionales (CRPS), Schwellneigung des Handrückens mit Überwärmung und Rötung.
Anpassungsstörung mit ausgeprägtem Störungsbild, algogenes Psychosyndrom (schmerzbedingte psychische Beeinträchtigungen).„
Wegen der Unfallfolgen gewährt sie dem Kläger seit dem 09.11.2015 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. der Vollrente (Bescheid vom 03.05.2016). Über den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers hat die Beklagte - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.
Bereits am 03.12.2015 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls Übergangsleistungen gem. § 3 Abs. 2 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) zu gewähren mit der Begründung, er habe unfallbedingt seine alte Tätigkeit als Betonarbeiter aufgeben müssen. Ihm sei deshalb ein Minderverdienst entstanden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Regelungen der BKV fänden allein bei Berufskrankheiten (BKen) Anwendung, nicht aber bei Arbeitsunfällen. Eine vergleichbare Vorschrift zum Ausgleich eines Minderverdienstes bei Arbeitsunfällen gebe es nicht. Auch sehe der gesetzliche Leistungskatalog bei Arbeitsunfällen keinen unfallbedingten Minderverdienstausgleich vor (Bescheid vom 14.12.2015, Widerspruchsbescheid vom 02.03.2016).
Deswegen hat der Kläger am 09.03.2016 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er leide unfallbedingt an einer ausgeprägten Anpassungsstörung, für die Dr. B. eine MdE um 30 v.H. angenommen habe. Damit sei eine BK zu bejahen. Im Übrigen verstoße § 3 Abs. 2 BKV gegen den Gleichheitsgrundsatz, soweit ein durch einen Arbeitsunfall verursachter Minderverdienstausfallschaden nicht ausgeglichen werde. Außerdem verstoße die Regelung gegen Art. 2 des Grundgesetzes (GG).
Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,
den Bescheid vom 14. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. März 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2013 einen Minderverdienstausgleich zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Mit Schreiben vom 03.06.2016 und vom 21.07.2016 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen...