Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Nothilfe. Erstattungsanspruch eines Krankenhausträgers wegen stationärer Krankenhausbehandlung. Vorliegen eines Eilfalles. Erstattung der Aufwendungen in gebotenem Umfang. Anwendung der Vergütungsregelungen der GKV. Vergütung von Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen. Begrenzung des Erstattungsanspruchs durch Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Hilfefall. tagesbezogene anteilige Vergütung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Endet ein Eilfall während der Dauer der stationären Krankenhausbehandlung, die mit einer Fallpauschale vergütet wird, infolge Kenntnis des Sozialhilfeträges vom Hilfefall, steht dem Krankenhausträger als Nothelfer ein Erstattungsanspruch nur "pro rata temporis" zu (Anschluss an BSG vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R = SozR 4-3500 § 25 Nr 5).

2. Die Kenntnis des Sozialhilfeträges vom Vorliegen eines Eilfalls bildet die - zeitliche und rechtliche - Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers auf Kostenerstattung und des Hilfebedürftigen auf Leistungen der Hilfe bei Krankheit.

 

Tenor

Der Bescheid vom 08. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2015, beide in der Fassung des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 21. September 2015, werden abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 830,69 € für die stationäre Behandlung des A. P. J. für die Zeit vom 07. bis zum 11. November 2013 zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte erstattet der Klägerin ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung zwischen den Beteiligten nicht statt.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme von Kosten in Höhe von 3.115,10 € für die stationäre Behandlung des am 08.02.1973 geborenen polnischen Staatsangehörigen A. P. J. (im Folgenden: J.) in der Zeit vom 07.11. bis zum 22.11.2013 im Wege der Nothilfe aus Mitteln der Sozialhilfe geltend.

J. befand sich in der Zeit von Donnerstag, dem 07.11.2013, 13:35 Uhr, bis Freitag, dem 22.11.2013, 13:03 Uhr, unter der Aufnahmediagnose “Verschluss des Gallenganges„ (ICD 10-Schlüssel: K83.1) zur stationären Behandlung in der Medizinischen Klinik II des von der Klägerin betriebenen Krankenhauses. Dabei gab J. u. a. an, er sei ohne festen Wohnsitz, und benannte als Anschrift in der Bundesrepublik Deutschland die Adresse einer Obdachloseneinrichtung in K. (K.straße xx). Eine Krankenversicherung bestehe nicht; in Polen sei er nur bis Mai 2013 krankenversichert gewesen. Einkünfte oder Vermögen besitze er nicht. Er habe Bankschulden in Polen und könne die Behandlungskosten nicht zahlen. Am 21.11.2013 stellte er über die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Die Entlassung des J. aus der stationären Behandlung erfolgte unter der Hauptdiagnose “alkoholische Leberzirrhose„ (ICD 10-Schlüssel: K70.3); als Nebendiagnosen führte die Klägerin in der Entlassungsanzeige “Nichtbefolgung ärztlicher Anordnungen„ (ICD 10-Schlüssel: Z91.1), “Hypokaliämie„ (ICD 10-Schlüssel: E87.6) und “psychische und Verhaltensstörungen durch schädlichen Alkoholgebrauch„ (ICD 10-Schlüssel: F10.1) an. Die stationäre Behandlung rechnete sie unter Ansatz der Fallpauschale nach DRG-Schlüssel H62B mit insgesamt 3.115,10 € ab.

Am 11.11.2013 (Montag) zeigte die Klägerin der Beklagten an, sie habe J. am 07.11.2013 notfallmäßig aufgenommen. Zugleich bat sie um Übernahme der anfallenden Krankenhauskosten für die Dauer der medizinisch notwendigen Behandlungszeit. Hierzu legte sie die Auskunft des Polnischen Nationalen Gesundheitsfonds vom 15.11.2013 vor, der zufolge J. von der polnischen Krankenversicherung nicht erfasst sei. Ein Krankenversicherungsschutz in Deutschland bestehe nicht, weil J. hier ohne festen Wohnsitz und ohne gesicherten Lebensunterhalt lebe. Auch ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe nicht. Mit Schreiben vom 09.12.2014 teilte die AOK K. der Klägerin mit, J. könne aus im einzelnen dargelegten Gründen nicht Mitglied ihr werden.

Auf Anfragen der Beklagten vom 06.09.2013, 09.01.2014 und vom 28.03.2014 teilte die Anlauf- und Beratungsstelle der Stadt K. mit, J. halte sich seit Frühjahr 2013 bzw. dem 04.05.2013 als Arbeitsuchender in K. auf. Er habe dort seit dem 30.09.2013 eine Postadresse eingerichtet und zwischen dem 24.10.2013 und dem 12.01.2014 den Erfrierungsschutz genutzt; seither habe er sich dort nicht mehr gemeldet. Seinen Lebensunterhalt habe er durch Betteln und Zuwendungen Dritter bestritten. Eine Krankenkasse des J. sei dort nicht bekannt (Auskünfte vom 12.12.2013, 09.01.2014, 22.01.2014 und vom 31.03.2014). Durch Bescheid vom 08.05.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, Voraussetzung für eine Kostenerstattung an den Nothelfer sei u.a. eine Leistungsberechtigung der in Not geratenen Person nach dem SGB XII. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des J. und damit dessen Bedürftigkeit habe s...

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