Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Tätigkeiten im Bereich Büroorganisation. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung. Hemmung der Verjährung von Beitragsnachforderungen bei einer Betriebsprüfung. alleiniger Einsatz der eigenen Arbeitskraft. keine Bindung von Bescheiden der Bundesagentur für Arbeit über einen Gründungszuschuss. Beschäftigteneigenschaft zwischen Ehe- und Lebenspartnern sowie Angehörigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Durchführung von Tätigkeiten im Bereich "Büroorganisation" (zB Abwicklung des Zahlungsverkehrs, Durchführung der Korrespondenz, vorbereitende Buchführung) für eine Firma, wird in der Regel im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt, wenn dieselbe Tätigkeit von derselben Person früher bereits im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurde und keine gewichtigen, auf ein Unternehmerrisiko hinweisenden Umstände im Einzelfall hinzutreten.

2. Bei einer Betriebsprüfung ist der Ablauf der Verjährung von Beitragsnachforderungen regelmäßig bis zur Beschlussbesprechung gehemmt. Erfolgt eine Anhörung auf schriftlichem Wege, endet die Hemmung erst mit der Beendigung des schriftlichen Anhörungsverfahrens.

 

Orientierungssatz

1. Indizien für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sind der Abschluss eines Arbeitsvertrags, Anwesenheits- und Zeitkontrollen, Arbeitsplätze in den Räumen des Arbeitgebers, Arbeitszeit nach Vorgaben des Arbeitgebers, fehlende eigene Betriebsmittel, bezahlter Urlaub, feste gleich bleibende Vergütung, Verbuchung als Lohnsteuer, wirtschaftliche Abhängigkeit und der Wille der Vertragspartner. Für eine selbständige Tätigkeit sprechen die Vorhaltung eigenen Arbeitsmaterials, die Verbuchung der Einnahmen mit Umsatzsteuer, die Beschäftigung und Bezahlung eigenen Personals, die eigene Gewerbeanmeldung, das Unternehmerrisiko, das Vergütungsrisiko.

2. Der alleinige Einsatz der eigenen Arbeitskraft schließt die Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht von vornherein aus (vgl BSG vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R und BAG vom 27.6.2001 - 5 AZR 561/99 = BAGE 98, 146).

3. Die Bewilligung eines "Gründungszuschusses" nach § 57 SGB 3 aF spricht grundsätzlich für eine selbständige Tätigkeit. Die bestandskräftigen Bescheide der Bundesagentur für Arbeit sind für den Rentenversicherungsträger jedoch nicht bindend (vgl SG Landshut vom 3.7.2013 - S 10 R 5033/12).

4. Ehe- und Lebenspartner sowie Angehörige können untereinander beschäftigt sein.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 6.741,32 € nach einer von Mai 2010 bis März 2011 durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2009.

Die Klägerin ist eine Softwarefirma, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Computerprogrammierer Herr C. ist. Herr C. erledigte in der Vergangenheit die Aufträge als "Einmannfirma". Als die Klägerin von dem Unternehmen S. AG einen größeren Auftrag erhielt (Projektauftrag P..Web) mietete die Klägerin für hierfür benötigte "Subunternehmer" (freie Mitarbeiter) in P. Büroräume an. Bei den sog. freien Mitarbeitern handelte es sich ebenfalls um Softwareprogrammierer, die Herrn C. bei der Durchführung des Projekts unterstützten. Mit der Beendigung des Projekts im Jahre 2009 endete auch die Beauftragung der Subunternehmen. In den Jahren 2010 und 2011 wurden keine neuen Aufträge an Subunternehmen bzw. freie Mitarbeiter seitens der Klägerin vergeben.

Die Beigeladene zu 1) ist die Lebensgefährtin des Herrn C. und war bei der Klägerin ab ca. 2004 bis 31.10.2006 abhängig beschäftigt. Die Tätigkeit bestand in der Abwicklung des Zahlungsverkehrs, Durchführung der Korrespondenz, Rechnungsverwaltung und die vorbereitende Buchführung. Nachdem es im Jahre 2006 geschäftliche Differenzen gegeben hat, löste die Beigeladene zu 1) das Arbeitsverhältnis auf.

Am 25.04.2007 schlossen der Geschäftsführer der Klägerin und die Beigeladene zu 1) einen sog. "Freienmitarbeitervertrag".

Die Tätigkeit wird dabei unter § 1 wie folgt beschrieben:

Tätigkeit

Frau C. wird ab dem 01.05.2007 für den Auftraggeber als freie Mitarbeiterin tätig.

Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Ausführung nachstehender Tätigkeiten:

1. Prüfung und Korrektur von Rechtschreibung und Grammatik des E-Mail-Schriftverkehrs von Herrn C., sowie Korrektur von Firmenkorrespondenz und Textkorrektur der Dokumentationen des Auftraggebers.

2. Vorbereitung der firmeninternen Buchhaltungsunterlagen für den Steuerberater.

3. Entgegennahme von Telefonaten und sofortige Weiterleitung per SMS oder Email an den Auftraggeber. Bei Nichtbesetzung des QUIQ Büros nimmt Frau C.. eingehende Anrufe in ihren Büroräumen entgegen und leitet sie an den Auftraggeber weiter.

Im Laufe der Zeit übernahm die Beigeladene zu 1) auch einen Teilbereich des sog. "Softwaretestings". Hierbei überprüfte sie die von Herrn C. entwickelte Software an Hand eines Pr...

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