Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge. Insolvenz. Anfechtung der Zahlung der Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag als mittelbare Zuwendung. keine Berücksichtigung der an den Insolvenzverwalter ausgezahlten Arbeitnehmerbeiträge bei Beitragsberechnung und keine Erstattung
Leitsatz (amtlich)
Die Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen wird aus dem Vermögen des Arbeitgebers erbracht. Die Zahlung der Arbeitnehmeranteile zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen kann daher als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstellen angefochten werden. Daraus folgt, dass die an den Insolvenzverwalter ausgezahlten Beiträge des Arbeitnehmers weder bei der Beitragsberechnung berücksichtigt, noch an den Arbeitnehmer ausgekehrt werden dürfen; denn andernfalls müsste die Einzugsstelle sowohl den Insolvenzverwalter als auch den Arbeitnehmer befriedigen. Eine "doppelte Beitragserstattung" ist indes gesetzlich nicht vorgesehen.
Orientierungssatz
Zu Leitsatz vgl BGH vom 07.04.2011 - IX ZR 137/10 und vom 05.11.2009 - IX ZR 233/08 = BGHZ 183, 86.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe einer Verrechnung.
Der 1977 geborene Kläger war zunächst pflichtversichert, dann mitarbeitender Gesellschafter bei der … GmbH. Seit 16.10.2008 war er mit 60 % am Stammkapital dieses Unternehmens beteiligt, das ihn vom 01.01.2008 bis 11.11.2009 als abhängig Beschäftigten weiter führte. Bereits am 16.09.2008 hatte das Unternehmen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, dem das Amtsgericht am 03.02.2010 entsprach.
Durch Bescheid vom 07.07.2010 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab 16.10.2008 nicht der Versicherungspflicht unterliege. Wegen seiner Anteile am Stammkapital von 60 % verfüge er über eine Sperrminorität bei GmbH-Beschlüssen, sodass mit Erwerb der Anteile am 16.10.2008 grundsätzlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausgeschlossen sei. Als hauptberuflich selbstständiger Erwerbstätiger könne er aber der freiwilligen Versicherung beitreten, ein entsprechendes Merkblatt war beigefügt.
Unter dem 26.08.2010 focht der Insolvenzverwalter ab Verfahrenseröffnung die gesamten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 28.889,74 € zuzüglich gesetzlicher Verzugszinsen gegenüber der Beklagten an. Die Schuldnerin, d.h. die … GmbH, habe nach Stellung des Insolvenzantrages unter dem 25.09.2008 einen Betrag in Höhe von 13.389,74 € an rückständigen Beiträgen für den Zeitraum Juni 2008 bis August 2008 gezahlt.
Am 14.09.2010 beantragte der Kläger die Erstattung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 13.658,04 € (Arbeitnehmeranteil 7.177,36 €, zuzüglich 6.480,68 € Arbeitgeberanteil).
Durch Bescheid vom 15.03.2011 stellte die Beklagte mangels anderweitigen Versicherungsschutzes die Pflichtversicherung zur Kranken- und Pflegeversicherung fest. Der Kläger habe ab 16.10.2008 Beiträge aus der Beitragsbemessungsgrenze zu leisten, d.h. im Zeitraum 16.10.2008 bis 29.03.2011 insgesamt 7.686,12 €.
Am 31.03.2011 zeigte der Kläger die Pflichtversicherung an und legte den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 03.03.2011 vor sowie "Gehaltsabrechnungen" für die Monate Januar bis Oktober 2009.
Mit Bescheid vom 10.05.2011 stellte die Beklagte daraufhin ab 16.10.2008 eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) fest. Berechnungsgrundlage war das Gehalt des Klägers, woraus für den Zeitraum 16.10.2008 bis 11.11.2009 ein Beitrag von 5.850,72 € folgte. Aus den gezahlten Pflichtbeiträgen ergab sich eine Erstattung in Höhe von 4.316,90 €, die sie dem Beitragskonto gutschrieb. Es verblieb danach noch eine Differenz von 1.533,82 €.
Hiergegen legte der Kläger am 19.05.2011 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Er wende sich gegen die Höhe des Verrechnungsbetrages, der für ihn nicht nachvollziehbar sei. Aus dem Antrag des Insolvenzverwalters gehe hervor, dass seine Arbeitnehmeranteile 7.177,36 € aufwiesen, weshalb er eine Erstattung, jedoch keine Nachforderung, erwartet habe.
Durch Bescheid vom 13.02.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wegen Anfechtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages sei eine Erstattung von zu Unrecht entrichteten Beiträgen nur für den Zeitraum 01.10.2008 bis 07.06.2009 möglich. Der Erstattungsbetrag habe sich damit auf insgesamt 8.525,81 € verringert, wobei der Arbeitnehmeranteil 4.316,90 € betragen habe. Deswegen habe sie die Beitragsrechnung mit zu Unrecht entrichteten Beiträgen in Höhe des Arbeitnehmeranteils verrechnet.
Der Kläger hat daraufhin am 17.03.2014 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben und eine vergleichsweise Einigung vorgeschlagen, die die Beklagte abgelehnt hat. Deren Rückzahlung hätte nicht an den Insolvenzverwalter, sondern an den Kläger geleistet werden müssen. Der Insolvenzverwalter könne nur die ...