Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht eines bei der Bundesagentur für Arbeit beschäftigten Juristen. Erstreckungswirkung einer vormals erteilten Befreiung auf ein befristetes Folgebeschäftigungsverhältnis. Auswirkungen einer vorübergehenden Arbeitslosigkeit auf die Erstreckung

 

Orientierungssatz

Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für einen in einem Versorgungswerk versicherten Rechtsanwalt kommt für die abhängige Beschäftigung bei der Bundesagentur für Arbeit in der Regel nicht in Betracht, da sich aus dieser Tätigkeit die Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk regelmäßig nicht ergibt. Allerdings erstreckt sich eine zuvor für eine andere abhängige Beschäftigung erteilte Befreiung jedenfalls dann auf die nachfolgende Tätigkeit bei der Bundesagentur für Arbeit, wenn diese Tätigkeit von Beginn an nur zeitlich begrenzt angelegt war und auch während dieser Tätigkeit durch den Betroffenen Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk geleistet werden. Die Erstreckungswirkung wird auch durch eine zwischenzeitliche vorübergehende Arbeitslosigkeit nicht unterbrochen.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2016 verurteilt, die Klägerin von der gesetzlichen Versicherungspflicht für die Zeit vom 01.10.2015 bis 30.09.2016 zu befreien.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die am G. geborene Klägerin ist seit 14.01.2009 Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg. Ab 01.02.2014 übte sie eine Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältin in einer Rechtsanwaltskanzlei aus; für diese Tätigkeit wurde sie mit Bescheid der Beklagten vom 08.04.2014 von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 31.01.2015 meldete sich die Klägerin arbeitslos und bezog bis 30.09.2015 Arbeitslosengeld.

Zum 01.10.2015 nahm die Klägerin eine befristete Beschäftigung bei der Agentur für Arbeit Hamburg auf und beantragte für diese Tätigkeit die Befreiung von der Versicherungspflicht. Mit Bescheid vom 12.11.2015 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab mit der Begründung, die Klägerin sei zwar Pflichtmitglied einer Rechtsanwaltskammer und auch eines berufsständischen Versorgungswerks, doch bestehe die Pflichtmitgliedschaft nicht wegen ihrer Beschäftigung bei der Bundesagentur für Arbeit. Die zuvor ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht habe sich mit Aufgabe der abhängigen Beschäftigung erledigt, so dass auch eine Erstreckung der Befreiung auf eine berufsfremde Beschäftigung nicht möglich sei.

Einen hiergegen, mit Schreiben vom 24.11.2015 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.12.2016 zurück.

Am 30.01.2017 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg Klage erhoben. Nach ihrer Auffassung besteht bei fortdauernder Beitragszahlung an das Versorgungswerk während der Arbeitslosigkeit und mit der Aufnahme eines sozialversicherungspflichtigen befristeten Beschäftigungsverhältnisses die erteilte Befreiung von der Rentenversicherungspflicht fort. Durch die Regelung solle eine Stabilität der Altersvorsorge gesichert und der Wechsel zwischen verschiedenen Altersvorsorgesystemen vermieden werden. Eine vorübergehende Arbeitslosigkeit von mehr als drei Monaten sei auch nicht unüblich.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.12.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie von der gesetzlichen Versicherungspflicht im Zeitraum 01.10.2015 bis 30.09.2016 zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht sei auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit beschränkt. In Erweiterung des Tätigkeitsbezugs erstrecke sich die Befreiung ausnahmsweise dann auf eine andere Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt sei und die Versorgungseinrichtung auch während der Ausübung dieser Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleiste. Dieser Gesetzeszweck sei aber nur erfüllt, wenn zuletzt vor der Aufnahme der neuen Beschäftigung keine Zugehörigkeit zum System der gesetzlichen Rentenversicherung, beispielsweise durch Kindererziehungszeiten, Versicherungszeiten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld I, einer nicht erwerbsmäßigen Pflege oder aus geringfügig entlohnter Berufen der Beschäftigung begründet worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

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