Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittel. Fingerepithese
Orientierungssatz
1. Zum Anspruch auf Versorgung mit einer Fingerepithese im Rahmen der Hilfsmittelversorgung.
2. Az beim LSG Stuttgart: L 5 KR 1875/19.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Versorgung der Klägerin mit einer Fingerepithese für den Zeigefinger ihrer linken Hand.
Die am … geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Im Jahr 2003 erfolgte bei ihr die Amputation des Endgliedes des linken Zeigefingers aufgrund eines zuvor erlittenen Reitunfalls. Seitdem ist die Klägerin mit einer Epithese versorgt.
Am 21. Juni 2017 beantragte die Klägerin aufgrund des Verschleißes der jetzigen Epithese bei der Beklagten erneut die Kostenübernahme für eine individuell gefertigte Fingerepithese mit Acrylnagel. Dem Antrag beigefügt war eine ärztliche Verordnung des die Klägerin behandelnden Orthopäden … vom 12. Juni 2017 sowie ein Kostenvoranschlag des … vom 19. Juni 2017 in Höhe von 1.353,55 Euro.
Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme des … lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2017 die Kostenübernahme ab. Es gäbe keine medizinische Begründung für die Versorgung mit einer Fingerepithese. Es läge keine erhebliche Behinderung am linken Zeigefinger vor, die eine entsprechende Versorgung begründen würde. Es handele sich lediglich um eine kosmetische Prothesenversorgung.
Am 6. Juli 2017 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid und legte zur Begründung ihres Widerspruchs eine ärztliche Stellungnahme des … vor, in der dieser ausführte, dass der zweite Finger einer Hand - unwesentlich ob Gebrauchshand - in seiner vollen Funktion und Länge im Vergleich zu den Nachbarfingern für die adäquate Nutzbarkeit der Hand unabdingbar sei. Die Klägerin hätte in den letzten 14 Jahren eine große Fertigkeit mit der Epithesenversorgung erworben, sodass mit der Epithese nur noch eine geringe Funktionseinbuße bestünde. Weiter führte die Klägerin aus, dass die Stumpfspitze sehr empfindlich sei, da der Knochen ohne Weichteilschutz auskommen müsse. Es befände sich kein Fettgewebe zur Polsterung dazwischen, sondern lediglich eine dünne Hautschicht. Die Epithese schütze so vor schmerzhaftem direkten Kontakt, weil sie genau diese Polsterung böte. Der Zustand ohne Epithese würde sie in ihrem Alltag - vor allem in ihrem Berufsleben - sehr einschränken. Weiter legte die Klägerin ein ärztliches Attest ihres behandelnden … vom 31. Juli 2017 vor, wonach der schmerzempfindliche Fingerstumpf mit der Epithese geschützt und ohne diesen Schutz berührungsempfindlich und schmerzhaft sei. Aus nervenärztlicher Sicht sei daher die Versorgung des Zeigefingers mit einer Fingerprothese medizinisch indiziert.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Leistung seien nicht erfüllt. So habe der … im Rahmen seines Gutachtens ausgeführt, dass ein Spitz-/Pinzettengriff trotz des fehlenden Endgliedes des Zeigefingers möglich sei. Somit sei durch die beantragte Epithese kein Behinderungsausgleich erzielbar. Als alternative Versorgung sei bei einer Schmerzempfindlichkeit ein Fingerkuppenschutz aus dem Sprechstundenbedarf ausreichend und zweckmäßig. Von einer Notwendigkeit der beantragten Versorgung sei daher nicht auszugehen. Mit der beantragten Versorgung werde das Maß des Notwendigen überschritten. Soweit die streitgegenständliche Leistung von der Beklagten in der Vergangenheit bewilligt worden sei, sei dies zu Unrecht erfolgt. Daher scheide auch ein Anspruch aufgrund einer Selbstbindung der Verwaltung aus.
Hiergegen hat die Klägerin am 19. Oktober 2017 Klage zum Sozialgericht … erhoben. Die Stumpfspitze des amputierten Fingers sei als Folge der seinerzeit durchgeführten Art und Weise der Amputation sehr empfindlich. Es gäbe kein Fettgewebe und kein Weichteilschutz, der vor Schmerzen schütze. Lediglich die Haut sei über die zu versorgende Stelle gezogen worden. Dies führe dazu, dass die Stumpfspitze schmerzhaft auf direkten Kontakt reagiere. Dies habe auch bereits der behandelnde Orthopäde …. in seinem Bericht vom 5. Juli 2017 bestätigt. Die Fingerepithese diene damit dem Ausgleich einer Behinderung. Das Fehlen des Zeigefingerendgliedes stelle eine größere Behinderung dar. Die Handfunktion der Klägerin sei insgesamt beeinträchtigt. Dies würde noch dadurch verstärkt, dass sie seit Jahren an das Vorhandensein einer Fingerepithese gewöhnt sei. Durch die Fingerprothese würde ein fehlender Körperteil ersetzt. Auch sei unter Schmerzgesichtspunkten die Versorgung mit einer Stumpfkappe nicht ausreichend. Durch die Fingerepithese würde ein größerer Abstand zum schmerzempfindlichen Bereich geschaffen, der eine deutliche Linderung beim Anstoßen mit sich brächte. Eine Beeinträchtigung der Klägerin fände auch aufgrund des Erscheinungsbildes statt. In ihrer Tätigkeit bei...