Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 97a Abs. 6 Satz 4 SGB VI (Fiktion nicht erzielter Einkünfte) gilt nicht für Kapitalerträge, die dem Rentenversicherungsträger nach einer Günstigkeitsprüfung vom Finanzamt im Datenaustauschverfahren nach § 151b SGB VI bekanntgegeben worden sind
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) um das Ruhen eines Grundrentenzuschlags wegen Einkünften aus Kapitalvermögen.
II.
Die am ... geborene - somit heute ... jährige - Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich rentenversichert und bezieht schon seit Längerem eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Ab dem Kalenderjahr 2021 floss in die Renten-berechnung ein sogenannter Grundrentenzuschlag ein.
III.
MitteBescheid vom 16.12.2022 wurde diese Rente für die Zeit ab Januar 2023 neu be-rechnet (monatlicher Zahlbetrag nur noch 1.017,84 €), denn es könne kein Grundrenten-zuschlag mehr berücksichtigt werden. Nach Mitteilung der Finanzverwaltung hätten die Klägerin und ihr Ehemann im Kalenderjahr 2020 Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 2.944,00 € sowie 2.945,00 € erzielt. Hieraus resultiere monatlich ein auf den Grundrentenzuschlag anzurechnender Betrag von 259,82 €. Dieser Betrag sei höher als der auf dem Grundrentenzuschlag beruhende Rententeil (113,46 €).
IV.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am11.1.2023 Widerspruch : Sie verstehe nicht, weshalb ein „steuerlich abgehandeltes einmaliges Extra-Einkommen“ zu einem „dauerhaften Abzug“ führen könne. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen beruhten auf einem Aktienkauf im Jahre 1999, welcher „Altrecht“ unterliege, so dass nach Ablauf der Spekulationsfrist doch überhaupt keine Steuer anfalle.
V.
Der Widerspruch ist jedoch mit folgender Begründung erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 26.4.2023 ): Auf den Grundrentenzuschlag würden unter gewissen Voraussetzungen die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Rentnerin und ihres Ehegatten angerechnet. Die Rentenversicherung sei dabei an die vom Finanzamt gemeldeten Daten gebunden. Änderungen dieser Daten könne nur die Finanzverwaltung vornehmen. Entgegen des Widerspruchsvorbringens bewirke der angefochtene Bescheid keinen dauerhaften Verlust des Grundrentenzuschlags. Denn für den Renten-bezug ab 2024 erfolge zu gegebener Zeit eine erneute Prüfung des Grundrenten-zuschlags auf Basis der von der Finanzverwaltung gemeldeten Einkommensdaten für das Veranlagungsjahr 2021.
VI.
Am26.5.2023 hat die KlägerinKlage zum Sozialgericht erhoben: „Eine steuerlich abgehandelte Nullnummer bei der Einkommensteuer“, nämlich ein „einmaliges Extraein-kommen“ bewirke jetzt bei ihrer Rente „einen dauerhaften Abzug von 100 €“. Bei ihr und ihrem Ehemann sei nicht, wie vom Finanzamt und der Rentenversicherung ausgeführt ein Betrag von 5.889,00 € verblieben, sondern lediglich ein Betrag von 4.846,61 €. Deshalb hätten sie sowohl beim Finanzamt, als auch bei der Rentenversicherung Widerspruch eingelegt. Im Übrigen sei die Begründung des angefochtenen Bescheides bzw. Widerspruchsbescheid derart kompliziert und unübersichtlich, dass dies „niemand, der nicht mit der Materie vertraut sei“, verstehen könne. Ihr Ehemann habe sich ausgiebig mit der Materie beschäftigt und sei „fündig geworden“. Denn der Berechtigte und sein Ehegatte müssten bei der Anrechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen auf den Grundrentenzuschlag vom Rentenversicherungsträger auf ihre Überprüfungsrechte nach§ 151c SGB VI hingewiesen werden. Wenn eine derartige Mitteilung nicht erfolge, gelte das Einkommen als „nicht erzielt“ (§ 97a Abs. 6 Satz 4 SGB VI ). „Dieser vernünftigen Ausführung des Gesetzes“ wolle sie sich anschließen. Somit beantragt die Klägerin nach Vorlage des Steuerbescheides vom 4.2.2022 für das Kalenderjahr 2020 sinngemäß gefasst,
die Beklagte zu verurteilen, ihr im Kalenderjahr 2023 weiterhin eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ohne Anrechnung von Einkünften aus Kapitalvermögen auf den Grundrentenzuschlag zu gewähren und den Bescheid vom 16.12.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.4.2023 entsprechend abzuändern.
Die Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem vom Finanzamt übermittelten Datensatz könne entnommen werden, dass im Besteuerungsverfahren eine Günstigkeitsprüfung durchgeführt worden sei. Diese habe ergeben, dass die vom Finanzinstitut abgeführte Abgeltungssteuer (25%) günstiger sei als eine Besteuerung der Kapitaleinkünfte auf Basis des persönlichen Steuersatzes. Deshalb seien die betreffenden Kapitaleinkünfte auch nicht zu den zu versteuernden Einkünften nach§ 2 Abs. 5 EStG hinzuzugerechnet worden. Dies habe zur Konsequenz, dass hier § 97a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 (nicht aber Nr. 1) SGB VI zur Anwendung komme. Im Rahmen der Günstigkeitsprüfung hätten die Klägerin und ihr Ehemann gegenüber der Finanzverwaltung bereits alle Kapitaleinkünfte angegeben, soda...