Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verurteilt, die Kosten, die durch die Betreuung und Beschäftigung der Antragstellerin in der Werkstatt für Behinderte Menschen C. in C-Stadt entstehen, ab dem 30.05.2006 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Der am 30.05.2006 sinngemäß gestellte Antrag,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, die Kosten, die durch die Betreuung und Beschäftigung der Antragstellerin in der Werkstatt für Behinderte Menschen in C-Stadt entstehen, ab dem 30.05.2006 vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen,

ist zulässig und begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern eine Regelung erforderlich erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Vorliegen müssen danach ein Anordnungsanspruch, welcher dem im Hauptsacheverfahren geltend zu machenden materiell-rechtlichen Anspruch entspricht, sowie ein Anordnungsgrund. Letzterer ist bei Dringlichkeit der begehrten Entscheidung gegeben, d.h. wenn ein Abwarten auf die Hauptsacheentscheidung dem Antragsteller nicht zumutbar ist. Nach § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO hat der Antragsteller Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne liegt vor, sofern das Vorliegen der den Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund begründenden Tatsachen für das Gericht überwiegend wahrscheinlich ist.

Unter Zugrundelegung dieser Anforderungen hat die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Anordnungsanspruch ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner unter Zugrundelegung des Inhaltes der Behördenakten einen Anspruch auf Übernahme der Kosten, die durch ihren Werkstattbesuch entstehen, hat. Der Anspruch auf Kostenübernahme folgt aus §§ 53, 54 SGB XII, wobei sich die Zuständigkeit des Antragsgegners aus § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG ergibt.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist davon auszugehen, dass bei der Antragstellerin eine geistige Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX vorliegt, durch die sie wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt wird. Ausweislich der vorgelegten ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin an einer leichten geistigen Behinderung leidet Nach dem Fachärztlichen Befundbericht des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Diplom-Psychologen Dr. UV. verfügt die Antragstellerin über einen Gesamt-IQ von 70, wobei der Handlungs-IQ im Bereich der geistigen Behinderung liege. Auch gemäß den amtsärztlichen Gutachten der Amtsärztin VC. vom 13.07.2005 und 08.08.2005 besteht bei der Antragstellerin eine geistige Behinderung. Der Diplom-Psychologe PA. bejaht in seinem Gutachten vom 12.112002 ebenfalls ausdrücklich eine über das Maß einer Lernbehinderung hinausgehende Einschränkung des intellektuellen Leistungsvermögens.

Soweit der Antragsgegner meint, die geistige Behinderung sei nicht wesentlich, ist darauf hinzuweisen, dass auch eine leichte geistige Behinderung eine wesentliche Behinderung im Sinne des § 53 SGB XII sein kann. Denn Anknüpfungspunkt für die Wesentlichkeit der Behinderung ist nicht deren Schwere als solche, sondern die durch die Behinderung entstehenden Beschränkungen bei der Teilhabe an der Gesellschaft, was im Übrigen auch durch den Wortlaut von § 2 der Eingliederungshilfe-Verordnung bestätigt wird. Unter Berücksichtigung der gestiegenen Leistungsanforderungen gerade im mentalen Bereich ist ein Betroffener auch bei einer nur leichten geistigen Behinderung bereits wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Unter Zugrundelegung der ärztlichen Gutachten sowie der weiteren in den Behördenvorgängen enthaltenen Berichte (insbesondere der Rehabilitationssplan-Berichte vom 28.05.2004 und 22.04.2005) hat das Gericht keine Zweifel, dass aus der Behinderung der Antragstellerin eine solche wesentliche Beschränkung an der gesellschaftlichen Teilhabe resultiert. Nach dem Akteninhalt ist auch davon auszugehen, dass die Beschäftigung in der Werkstatt geeignet ist, die Antragstellerin in die Gesellschaft wiedereinzugliedern bzw. eine weitergehende Ausgliederung zu verhindern.

Die Zuständigkeit des Antragsgegners für die Erbringung der Leistungen folgt aus § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG, der gemäß Art. 70 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch (BGBl.I, 3022) noch bis zum 31.12.2006 in Kraft bleibt. Auf die Frage, ob die Antragstellerin Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II hat (z.B. nach § 28 SGB II), kommt es nicht an, da der Anspruch...

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