Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Kieferorthopäden auf Genehmigung seiner Reparaturaufträge bzw. Therapieänderungen ohne Vorbehalt einer nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung
Orientierungssatz
1.Der Vertragszahnarzt ist nur zur Teilnahme an der vertragszahnärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrags berechtigt und verpflichtet (§ 95 Abs. 3 S. 1 SGB V). Zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehört, entsprechend dem Leistungsanspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse, auch die kieferorthopädische Behandlung (§ 73 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V). Der Übergang des vertragszahnärztlichen Versorgungsauftrags von der Krankenkasse (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 SGB V) auf die Kassenzahnärztliche Vereinigung (§ 75 Abs. 1 SGB V) hat aber zur Folge, dass zwischen der Krankenkasse und dem Vertragsbehandler keine unmittelbaren rechtlichen Beziehungen bestehen.
2.Der Vertragsbehandler ist grundsätzlich auch für die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit seiner zahnärztlichen Behandlung verantwortlich. Das Genehmigungsverfahren mit der Möglichkeit eines Gutachterverfahrens nimmt ihm einen Teil der Verantwortung gegenüber den Krankenkassen dann ab, wenn eine Genehmigung erteilt wird. Die Genehmigung schafft aber einen Vertrauenstatbestand nur in einem begrenzten Umfang und schließt eine nachträgliche Prüfung nicht grundsätzlich aus.
3.Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung ist nur insoweit ausgeschlossen, wie die Wirtschaftlichkeit schon im Genehmigungsverfahren zu prüfen ist und nach den gemachten Angaben geprüft werden kann. Der Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen grundsätzlich alle Bereiche der vertragszahnärztlichen Versorgung.
Nachgehend
Tenor
1. Die Verfahren mit Az.: S 12 KA 642/10, S 12 KA 643/10 und S 12 KA 644/10 werden zur gemeinsamen Entscheidung unter dem führenden Az.: S 12 KA 642/10 miteinander verbunden.
2. Die Klagen werden abgewiesen.
3. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
4. Der Streitwert wird für die verbundenen Verfahren auf 1.685,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von den Beklagten die Bescheidung seiner Widersprüche gegen die Genehmigung seiner Reparaturaufträge bzw. Therapieänderungen unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Der Kläger ist als Zahnarzt für Kieferorthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Der Kläger beantragte zunächst am 07.07.2010 bei dem Sozialgericht Marburg zum Az.: S 12 KA 521/10 ER den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Beigeladene für den Behandlungsfall des bei der AOK Hessen versicherten D. X., weil die AOK Hessen die nachträglichen 50 € Laborkosten nur unter der Einschränkung “wenn kein Eigenverschulden des Patienten vorliegt„ genehmigt habe. Den Antrag zog er am 28.07.2010 wieder zurück.
Der Kläger hat am 23.06.2010 über das SG Gießen die Klagen erhoben. Das SG Gießen hat mit Beschlüssen vom 28.07.2010 zu den Az.: S 14 SV 12/10, S 14 SV 13/10 und S 14 SV 14/10 wegen örtlicher Unzuständigkeit die Klage an das SG Marburg verwiesen.
Der Kläger trägt im Verfahren gegen die Beklagte zu 1) vor, die Beklagte habe am 17.08.2009 die am 13.08.2009 für die Patientin BB beantragten Reparaturen unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung genehmigt. Gegen den ihn persönlich betreffenden Teil habe er am 18.08.2009 Widerspruch erhoben. Die Beklagte sei seitdem untätig geblieben.
Im Verfahren gegen die Beklagte zu 2) trägt er vor, die Beklagte habe am 27.10.2009 die am 01. und 26.10.2009 für den 1995 geb. Patienten CC beantragten Reparaturen unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung genehmigt. Gegen den ihn persönlich betreffenden Teil habe er am 30.10.2009 Widerspruch erhoben. Die Beklagte sei seitdem untätig geblieben.
Im Verfahren gegen die Beklagte zu 3) trägt er vor, er habe am 11.07.2009 für die Patienten DD und EE eine Therapieänderung beantragt, die die Beklagte am 18.09.2009 unter dem Vorbehalt einer nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung genehmigt habe. Gegen den ihn persönlich betreffenden Teil habe er am 24.09.2009 Widerspruch erhoben. Seither sei die Beklagte untätig geblieben. Für alle Verfahren trägt er weiter vor, der Zweck des Antrags sei es gerade, die Wirtschaftlichkeit der Reparatur feststellen zu lassen. Der Vorbehalt sei wegen § 32 Abs. 1 SGB X rechtswidrig. Um Schaden von seinem Vermögen abzuwenden, weigere er sich, die Reparaturen auszuführen. Gegenstand des Verfahrens sei nur die Rechtswidrigkeit des Vermerks.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte zu verurteilen, ihn über seine Widersprüche zu bescheiden.
Die Beklagten beantragen,
die Klagen abzuweisen.
Die Beklagten zu 1) und 2) sind der Auffassung, ein für den Kläger widerspruchsfähiger Bescheid sei nicht ergangen. Die Entscheidung entfalte Wirkung nur gegenüber dem Versicherten. Dies hätten sie dem Kläger erläutert. Der Versicherte habe...