Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. weniger als 50% Kapitalanteil. Stimmbindungsvereinbarung mit der Mehrheit der Mitgesellschafter. Rechtsmacht. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, der eine strafbewehrte Stimmbindungsvereinbarung mit der Mehrheit der Mitgesellschafter getroffen hat, übt als Geschäftsführer auch dann eine selbständige Tätigkeit aus, wenn er an der Gesellschaft weniger als 50% der Anteile hält. Denn er ist in der Lage, unliebsame Weisungen der GmbH ihm gegenüber zu verhindern: Ihm steht im Falle stimmbindungswidrigen Abstimmungsverhaltens der Rechtsweg offen (Klage gegen den betreffenden Mitgesellschafter auf stimmbindungskonformes Abstimmungsverhalten mit Möglichkeit der Zwangsvollstreckung).
Orientierungssatz
Ein Urteil, das gegen einen stimmbindungswidrig abstimmenden Gesellschafter ergeht, wäre auch vollstreckbar (vgl BGH vom 29.5.1967 - II ZR 105/66 = BGHZ 48, 163).
Tenor
I. Es wird unter Aufhebung der Bescheide vom 30.07.2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08.01.2014 festgestellt, dass der Kläger zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin zum 1) vom 31.03.2013 bis zum 09.04.2014 nicht im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt war und nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Status des Klägers zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) streitig.
Der Kläger zu 2) war von 2005 bis 2013 freiberuflicher Web-Entwickler. Er wurde zum 01.03.2013 Geschäftsführer der Klägerin zu 1), gemeinsam mit dem weiteren Geschäftsführer D., dessen Status in einem Parallelverfahren vor dem Sozialgericht München (Az.: ) streitig ist. Der Kläger zu 2) war überdies vom 01.03.2013 bis zum 09.04.2014 Mitgesellschafter der Klägerin mit einem Kapitalanteil von 21%, neben weiteren vier Gesellschaftern, die ebenfalls jeweils 21% bzw. 16% Kapitalanteil hielten.
Seit 10.04.2014 ist der Kläger zu 2) nicht mehr Mitgesellschafter. Er ist seither unstreitig abhängig beschäftigt, Sozialversicherungsbeiträge werden entrichtet.
Der Kläger zu 2) erhielt im hier streitigen Zeitraum vom 01.03.2013 bis zum 09.04.2014 eine feste monatliche Vergütung von knapp 6.400,00 Euro brutto. Er hatte laut Geschäftsführervertrag vom 28.02.2013 keine festen Arbeitszeiten und war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Im Krankheitsfall hatte er laut Vertrag Anspruch auf sechswöchige Entgeltfortzahlung, bei Krankheit hatte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem dritten Tag vorzulegen. Der Geschäftsführervertrag enthielt auch eine sogenannte Schriftformklausel.
Die Beschlussfassung bei der Klägerin zu 1) erfolgte laut Satzung derart, dass in der Regel eine einfache Mehrheit der Stimmen reichte, außer in Fällen der Satzungsänderung oder der Änderung von Geschäftsführerverträgen, wofür jeweils eine Dreiviertelmehrheit erforderlich war.
Am 01.03.2013 schlossen der Kläger zu 2), sein Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter D. sowie die Gesellschafter E. und F., jeweils mit einem Kapitalanteil von 21 %, eine sogenannte Stimmbindungsvereinbarung. Sie verpflichteten sich hier einander, bei Beschlussfassung der Klägerin zu 1) immer einstimmig abzustimmen. Soweit eine Einigung nicht erzielt werden könnte, verpflichteten sie sich, mit “Nein„ abzustimmen. Verletzungen dieser Vereinbarungen waren strafbewehrt (Vertragsstrafe: 15.000,00 Euro). Die Stimmbindungsvereinbarung war nur aus wichtigem Grunde kündbar.
Wie der Kläger zu 2) im Erörterungstermin am 15.01.2015 glaubwürdig versicherte, haben die an der Stimmbindungsvereinbarung beteiligten Gesellschafter immer einstimmig abgestimmt, Verletzungen der Stimmbindungsvereinbarung gab es nicht.
Am 29.04.2013 ging bei der Beklagten ein Statusfeststellungsantrag der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) vom 15.02.2013 ein, mit dem beide beantragten, festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege.
Die Beklagte hörte die Kläger mit Schreiben vom 13.05.2013 zur beabsichtigten Feststellung einer abhängigen Beschäftigung und zum Vorliegen der Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung und in der gesetzlichen Rentenversicherung an.
Der Kläger zu 2) wandte sich gegen die beabsichtigte Feststellung, vor allem unter Hinweis darauf, er sei nicht weisungsgebunden, sondern weisungsberechtigt. Ferner habe er eine freie Arbeitszeit und trage durch seinen Gesellschaftsanteil an der Klägerin zu 1) auch ein Unternehmerrisiko. Schließlich habe er durch die Stimmbindungsvereinbarung mit drei Mitgesellschaftern, die - einschließlich seiner eigenen Anteile - 84 % der Stimmrechte halten, unternehmerische Entscheidungsfreiheit.
Die Beklagte stellte gleichwohl mit den hier angefochtenen Bescheiden vom 30.07.2013 gegenüber den Klägern fest, dass der Kläger zu 2) seit 0...