Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht. angestellter steuerberatender Rechtsanwalt in einer Steuerkanzlei
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit eines angestellten steuerberatenden Rechtsanwalts in einer Steuerkanzlei ist im Kontext von § 6 Abs 1 SGB 6 ebenso befreiungsfähig wie die eines angestellten Rechtsanwalts in einer Rechtsanwaltskanzlei.
Orientierungssatz
Az beim LSG München L 6 R 114/15.
Tenor
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 23.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2014 verurteilt, die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - für die Beschäftigung des Klägers bei der B. Steuerberatungsgesellschaft und Wirtschaftstreuhand GmbH rückwirkend auf den 19.12.2013 zu erteilen.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Der Kläger arbeitet seit November 2013 als angestellter Anwalt für die B.-Stadt Steuerkanzlei B. Steuerberatungsgesellschaft und Wirtschaftstreuhand GmbH (nunmehr: B.). Seit dem 19.12.2013 ist er sowohl Mitglied der Rechtsanwaltskammer A-Stadt und der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung aufgrund seiner Tätigkeit für die B.. Der Kläger hält als Gesellschafter an der B. ein Sechstel der Geschäftsanteile, zudem ist er als Prokurist bestellt.
Der Antrag des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vom 17.02.2014 wurde mit Bescheid vom 23.04.2014 abgelehnt. Der Kläger sei Syndikusanwalt im Sinne der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Nach Widerspruch vom 05.05.2014 wurde dieser mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2014 zurückgewiesen. Der Kläger sei nicht als Rechtsanwalt bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Der Kläger sei nicht "wegen" seiner Beschäftigung bei der B. Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer und des Versorgungswerks. Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und im Versorgungswerk müsse wegen ein und derselben Beschäftigung bestehen. Die in Rede stehende Beschäftigung müsse Versicherungspflicht in beiden Versicherungssystemen auslösen. Dies sei bei Syndikusanwälten nicht der Fall.
Der Kläger erhob am 6.10.2014 Klage zum Sozialgericht München mit der maßgeblichen Begründung, dass er kein Syndikusanwalt sei. Er benötige die Anwaltszulassung, um seine Beschäftigung als steuerberatender Anwalt, wozu er gem. § 3 Steuerberatungsgesetz (StBerG) ausdrücklich ermächtigt ist, ausüben zu können. Sowohl die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) als auch das StBerG ließen Kooperationen zwischen steuerberatenden Rechtsanwälten und Steuerberatern zu.
Er beantragt:
Der Bescheid vom 23.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2014 wird aufgehoben sowie die Beklagte verurteilt, die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI für die Beschäftigung bei der B. Steuerberatungsgesellschaft und Wirtschaftstreuhand GmbH rückwirkend auf den 19.12.2013 zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass der Kläger Syndikusanwalt im Sinne der neuesten Rechtsprechung des BSG und des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) in Bezug auf seine Tätigkeit bei der B. sei.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die vorliegende Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffenen Bescheide beschweren den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die rückwirkende Befreiung zum Zeitpunkt des Vorliegens der Befreiungsvoraussetzungen ergibt sich aus § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 SGB VI, da der Befreiungsantrag innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Voraussetzungen (vgl. hierzu: BeckOK SozR/von Koch SGB VI § 6 Rn. 30) gestellt wurde.
Die Befreiungsvoraussetzungen gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI liegen vor. Der Kläger ist seit dem 19.12.2013 kumulativ Mitglied des Versorgungswerks sowie der Rechtsanwaltskammer. Die Voraussetzungen von § 6 Abs. 1 S. 1 S. 1 Nr. 1 lit a) bis c) SGB VI sind unstreitig erfüllt. Der Kläger ist auch insbesondere "wegen der" Beschäftigung für die Steuerberatungsgesellschaft B. Mitglied der Kammer und des Versorgungswerks. Er ist kein "Syndikusanwalt".
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 03.04.2014 (Az. B 5 RE 13/14 R) ausgeführt, dass bereits dann der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI eröffnet und eine weitergehende Prüfung veranlasst ist, wenn ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherungspflicht in beiden Sicherungssystemen führen kann. Die bei Syndikusanwälten im Sinne von § 46 BRAO erbrachte Erwerbstätigkeit sei für die Mitgliedschaft des Syndikusanwalts in der Rechtsanwaltskammer und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung, sodass es bereits deshalb an der Grundvoraussetzung von § 6 Abs. 1 S...