Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegehilfsmittel. Ausschluss der Versorgung mit motorisch verstellbarem Pflegebett in stationärer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf Versorgung mit einem motorisch verstellbaren Pflegebett als Pflegehilfsmittel iSd § 40 SGB XI ist ausgeschlossen, wenn die Pflege in einer stationären Einrichtung iSd § 71 Abs 4 Nr 1 SGB XI stattfindet, in der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft im Vordergrund stehen, für die die Pflegekasse einen pauschalen Anteil nach § 43a SGB XI leistet, weil ein Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln nach § 40 SGB XI nur bei häuslicher Pflege besteht.

 

Orientierungssatz

1. Die Entscheidung des BSG vom 22.4.2015 - B 3 KR 16/14 R, worin das BSG einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 2 SGB 5 bei einem Pflegebedürftigen, der in einer stationären Einrichtung für Behinderte nach § 71 Abs 4 Nr 1 SGB 11 untergebracht war, für die Leistungen der Pflegekasse nach § 43a SGB 11 pauschal abgegolten wurden, bejaht hat, kann auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, weil sie sich nur auf Leistungen der medizinischen Behandlungspflege und nicht auf die Grundpflege bezieht.

2. Die isolierte Versorgung mit einem Pflegebett als Pflegehilfsmittel wäre sozialhilferechtlich nur gemäß § 64d SGB 12 möglich, der gemäß § 63 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst d SGB 12 aber nur bei häuslicher Pflege anwendbar ist.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Versorgung der in einem Wohnheim für geistig Behinderte lebenden Klägerin mit einem motorisch verstellbaren Pflegebett als Pflegehilfsmittel im Sinne des § 40 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) bzw. als Hilfsmittel im Sinne des § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).

Die 1945 geborene Klägerin lebt aufgrund einer geistig-seelischen Erkrankung seit 1987 in dem von der Lebenshilfe A-Stadt-F-Stadt gGmbH (nachfolgend: Lebenshilfe) betriebenen L-Heim, A-Stadt.

Grundlage ist ein zwischen der Klägerin und der Lebenshilfe mit Wirkung vom 08.04.1987 geschlossener Wohnstätten-Vertrag. Danach überlässt der Träger dem Bewohner eine Unterkunft in einem Zweibettzimmer mit Kalt- und Warmwasser, Heizung und Strom; die Zimmereinrichtung bringt der Bewohner mit, sie bleibt sein Eigentum. Wesentliche Leistungen des Trägers bestehen in der pädagogischen und heilpädagogischen Förderung in den lebenspraktischen Verrichtungen, der persönlichen Lebensführung und im sozialen Verhalten sowie in Hilfe bei der Freizeitgestaltung.

Nach der zwischen dem Bezirk Oberbayern als überörtlichem Sozialhilfeträger und der Lebenshilfe getroffenen individuellen Leistungsvereinbarung für den Leistungstyp Wohnen für Erwachsene mit geistiger Behinderung ohne Tagesbetreuung, Leistungstyp W-E-G vom 08.12.2012 bilden die Zielgruppe der Einrichtung erwachsene Menschen mit einer primären geistigen Behinderung nach § 2 der Eingliederungsverordnung im Sinne des § 53 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Im Wohnstättenverbund leben danach erwachsene Männer und Frauen mit einer wesentlichen geistigen Behinderung und gegebenenfalls einer zusätzlichen körperlichen Behinderung und/oder einer zusätzlichen psychischen Erkrankung und/oder einer Pflegestufe nach SGB XI, die wegen ihres Hilfebedarfs regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Die Krankheitsbilder der Bewohner umfassen in der Regel Beeinträchtigungen im Sinne einer geistigen Behinderung u. a. Down-Syndrom, Autismus, geburtstraumatische Hirnschäden, setzen jedoch im Schweregrad der Erkrankungen ein unterschiedliches Maß an Selbstständigkeit im alltagspraktischen Handeln, je nach Wohnform, und Mobilität (selbstständig auch unter Nutzung von Hilfsmitteln) voraus. Dies bedeutet nach der Vereinbarung, dass die in den Außenwohngruppen lebenden Bewohner aufgrund der fehlenden Barrierefreiheit der Objekte (Stufen zum Eingangsbereich, Schwellen, Treppen zu den Funktionsräumen, fehlender Aufzug) selbstständig gehfähig sein müssen.

Mit Bescheid vom 29.08.2018 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen der vollstationären Pflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe nach Pflegegrad 4, wobei ab dem 01.04.2018 zur Abgeltung der pflegebedingten Aufwendungen 10 v.H. des Heimentgeltes, höchstens 266 € monatlich, übernommen würden. Diesem Bescheid lag ein Gutachten des MDK Bayern vom 16.05.2018 zu Grunde, in dem die Voraussetzungen des Pflegegrades 4 ab dem 01.04.2018 bejaht wurden. Ferner wurde unter Punkt 8 "weitere Empfehlungen und Hinweise für die Pflegekasse" aufgenommen der Punkt 8.1 "Hilfsmittel/Pflegehilfsmittel: 5045011 Pflegebett, motorisch verstellbar - Zustimmung der antragstellenden/betreuenden/Bevollmächtigten Person zur Beantragung des o. g. Hilfsmittels/Pflegehilfsmittel liegt vor".

Am 07.11.2018 ging der Antrag des Betreuers der Klägerin auf Kostenübernahme für ein motorisch verstellbares Pflegebett...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?