Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialverwaltungsrecht: Zugang eines Antrags bei Übermittlung per Telefax. Bestreiten des Zugangs bei einem OK-Vermerk des Sendegeräts
Orientierungssatz
Hat ein Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende einen Antrag im Verwaltungsverfahren per Telefax an den Grundsicherungsträger übersandt (hier: Überprüfungsantrag), so genügt jedenfalls dann kein einfaches Bestreiten des Zugangs durch den Grundsicherungsträger, wenn am Sendegerät eine Übersendungsmeldung mit “OK„ ausgewiesen wird. In diesem Fall muss der Grundsicherungsträger vielmehr konkret vortragen, welches Gerät an der fraglichen Gegenstelle betrieben wurde und das Empfangsjournal vorlegen.
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin vom 25. September 2015, die Rechtmäßigkeit der mit dem Bescheid des Beklagten vom 23. Februar 2015 für den Zeitraum vom 01. April 2015 bis zum 30. Juni 2015 verlautbarten Sanktionsentscheidung zu überprüfen, zu bescheiden.
Der Beklagte hat der Klägerin die dieser entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Untätigkeitsklageverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die (vermeintliche) Untätigkeit des Beklagten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens hinsichtlich einer der Klägerin gegenüber verfügten Sanktion im Rahmen der Gewährung von (passiven) Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II).
Nachdem der Beklagte den Leistungsanspruch der seit einigen Jahren im Leistungsbezug bei dem Beklagten stehenden Klägerin mit Verfügung vom 23. Februar 2015 für den Zeitraum vom 01. April 2015 bis zum 30. Juni 2015 um 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs gemindert hatte, richtete die (anwaltlich vertretene) Klägerin mit Schreiben vom 25. September 2015 einen Überprüfungsantrag an den Beklagten.
Mit bei dem Sozialgericht Neuruppin am 20. April 2016 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tage hat die Klägerin unter Beifügung des Schreibens vom 25. September 2015 Untätigkeitsklage erhoben: Der Beklagte habe über den Antrag vom 25. September 2015 ohne zureichenden Grund nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden.
Nachdem der Beklagte während des gerichtlichen Verfahrens den Zugang des Schreibens vom 25. September 2015 in Abrede gestellt hatte, führte die Klägerin unter Vorlage eines Faxsendeberichtes, der einen “OK„-Vermerk trägt und im unteren Bereich einen Auszug des Überprüfungsantrages vom 25. September 2015 enthält, zur Begründung ihres Begehrens aus, der Beklagte könne sich auch nicht auf ein bloßes Bestreiten des Zuganges zurückziehen, sondern habe im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast Angaben zu seinem Faxgerät zu machen sowie dazu, ob die Verbindung gespeichert werde und ob und wie ein Empfangsjournal geführt werde.
Die Klägerin beantragt (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß),
den Beklagten zu verpflichten, den Antrag der Klägerin vom 25. September 2015, die Rechtmäßigkeit der mit dem Bescheid des Beklagten vom 23. Februar 2015 für den Zeitraum vom 01. April 2015 bis zum 30. Juni 2015 verlautbarten Sanktionsentscheidung zu überprüfen, zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält sie für unzulässig. Der Beklagte sei nicht untätig; der von der Klägerin behauptete Überprüfungsantrag liege nicht vor; dem Aktenvorgang sei ein solcher Antrag nicht zu entnehmen. Der Klägerin obliege die objektive Beweislast dafür, dass der hier streitgegenständliche Überprüfungsantrag bei dem Beklagten auch zugegangen sei. Allein das Faxsendeprotokoll stelle keinen Zugangsnachweis dar. Der Beklagte habe die ihm möglichen Ermittlungen unternommen, um einen Zugang aufzuklären, technisch sei dies für den Beklagten nicht mehr nachzuvollziehen. Auch eine konkrete Befragung der betreffenden Mitarbeiterin habe einen Zugang nicht bestätigen können.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 19. Februar 2018 zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Prozessakte sowie auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht gemäß § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden konnte, weil die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist, der Sachverhalt geklärt ist, die Beteiligten zuvor mit gerichtlicher Verfügung vom 19. Februar 2018 zu dieser beabsichtigten Entscheidungsform ordnungsgemäß angehört worden sind und zu der eine ausdrückliche Zustimmung der Beteiligten nicht erforderlich ist, hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
1. Die von der Klägerin am 20. April 2016 erhobene Untätigkeitsklage ist zulässig. Eine Untätigkeitsklage ist gemäß § 88 Abs 1 S 1 SGG zulässig, w...