Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzarbeitergeldanspruch. rechtmäßige Anordnung der Kurzarbeit durch Arbeitgeber. Rechtsgrundlage Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. Anwendung auch auf Beschäftigte in Kindertageseinrichtungen. Tarifgebundenheit. Tarifauslegung
Leitsatz (amtlich)
Der Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV COVID) ermöglichte die Einführung von Kurzarbeit auch in Kindertageseinrichtungen.
Tenor
Die Bescheide vom 12. Juni 2020 und 26. August 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2020 werden aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Kurzarbeitergeld in gesetzlicher Höhe für die Monate April und Mai 2020 zu zahlen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Im Streit steht die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) für sechs Arbeitnehmer.
Die klagende Gemeinde betreibt einen kommunalen Kindergarten. Dieser war seit dem 17. März 2020 pandemiebedingt geschlossen, wobei bis zum 17. April 2020 Dokumentationsarbeiten, Arbeiten am Konzept etc. und der Abbau von Überstunden und Urlaubsansprüchen zur Durchführung kamen.
Die Klägerin ist Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbands Thüringen (KAV) eingetragener Verein (e.V.), der wiederum Mitglied der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ist. Auf die Arbeitsverhältnisse mit der Klägerin findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD)/VKA und die diesen ergänzenden und erweiternden Tarifverträge durch arbeitsvertragliche Bezugnahme Anwendung.
Der VKA schloss bereits am 30. März 2020 mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, diese für weitere Gewerkschaften handelnd, und der dbb beamtenbund und tarifunion einen Tarifvertrag zur Regelung der Kurzarbeit im Bereich der VKA (TV COVID). Dieser gestattet es dem Arbeitgeber, bei Vorliegen der Voraussetzungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) und der Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit (Kurzarbeitergeldverordnung - KugV) Kurzarbeit anzuordnen.
Am 16. April 2020 vereinbarten die Klägerin und ihr Personalrat die Einführung von Kurzarbeit für den Betriebsteil Kommunaler Kindergarten im Ortsteil B ab dem 20. April 2020. Gleichzeitig erfolgte die Ankündigung gegenüber den Betroffenen.
Am 20. April 2020 zeigte die Klägerin den Arbeitsausfall bei der Beklagten an. Dabei gab sie insbesondere an: Die Arbeitszeit solle auf wöchentlich null Stunden reduziert werden. Die Anwendbarkeit des TV COVID für den kommunalen Kindergarten habe nicht abschließend geklärt werden können. Alle sechs Arbeitnehmerinnen des Betriebs seien betroffen. Mit Bescheid vom 21. April 2020 teilte die Beklagte auf Grundlage des § 99 Absatz (Abs.) 3 SGB III mit, dass nach den vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen ein erheblicher Arbeitsausfall vorliege und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug erfüllt seien. Dieses werde deshalb den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmern des Kindergartens B bewilligt, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllten.
Ab 4. Mai 2020 war der Kindergarten im Rahmen der Notbetreuung geöffnet, sodass nur noch ein teilweiser Arbeitsausfall vorlag.
Am 8. Juni 2020 stellte die Klägerin einen Leistungsantrag für den Monat April 2020 in Höhe von 2.120,32 €. Mit Bescheid vom 12. Juni 2020 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag ab. Zur Begründung führte sie aus: Die Einführung von Kurzarbeit sei aufgrund fehlender arbeitsrechtlicher Voraussetzungen nicht möglich. Der TV COVID sei auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst nicht anwendbar, die unter den TVöD Sozial- und Erziehungsdienst (SuE) fielen, nach dem Erzieher bezahlt würden und der das Arbeitsvertragsrecht regele. In diesen Fällen sei der Arbeitgeber trotz Arbeitsausfalls zur Zahlung der vollständigen Arbeitsentgelte verpflichtet.
Hiergegen erhob die Klägerin am 25. Juni 2020 Widerspruch und führte zur Begründung insbesondere aus: Der TVöD SuE sei kein eigener Tarifvertrag. Erzieher würden nach der Tabelle TVöD VKA Anlage C (SuE) bezahlt. Die von der Kurzarbeit ausgenommenen Personen und Bereiche seien in § 1 Abs. 2 bis 4 TV COVID genannt. Die Erläuterungen in der Niederschriftserklärung zu § 1 TV COVID seien dagegen nicht Bestandteil des Tarifvertrags, stellten tarifvertraglich keine verbindliche Regelung dar und entfalteten keine Sperrwirkung.
Am 11. August 2020 stellte die Klägerin einen Leistungsantrag für den Monat Mai 2020 in Höhe von 2.310,12 €. Diesen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. August mit derselben Begründung ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 1. September 2020 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2020 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und wiederholte ihr bisheriges Vorbringen.
Hiergegen hat die Klägerin am 20. Oktober 2020 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie unter Wiederholu...