Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistung. Förderung aus dem Vermittlungsbudget. Kosten für eine Gleitsichtbrille. Leistungsvorrang der gesetzlichen Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
Eine Förderung der Kosten für eine Gleitsichtbrille durch das Jobcenter aus dem Vermittlungsbudget nach § 16 Abs 1 S 2, Abs 3 SGB II iVm § 44 SGB III kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine "normale Gleitsichtbrille" vorrangig dem Rechtskreis der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen ist.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) geführt. Der Beklagte begehrt die Übernahme der Kosten für eine Gleitsichtbrille aus dem Vermittlungsbudget.
Der 1952 geborene Kläger stand im Jahr 2013 im Leistungsbezug beim Beklagten. In dieser Zeit war er zuletzt vom 14.10.2013 bis 23.12.2013 bei der Firma A. GmbH als Finanzbuchhalter nichtselbständig tätig.
Am 13.11.2013 beantragte er die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab Januar 2014.
Noch bevor über den Weiterbewilligungsantrag entschieden wurde, beantragte der Kläger darüber hinaus am 21.01.2014 beim Beklagten die Erstattung der Kosten für eine Gleitsichtbrille (Fassung und Gläser) als Zuschuss aus dem Vermittlungsbudget. Zur Begründung führte er an, dass er stark kurz-und zwischenzeitlich auch altersweitsichtig sei. Er habe daher bei der Arbeit am Computer Schwierigkeiten und sei ohne Brille praktisch arbeitsunfähig. Er habe bei seiner vorherigen Tätigkeit verstärkt Eingabefehler gemacht. Die Brille, die er trage, genüge seinen Anforderungen nicht mehr, weil seine Sehschwäche in den vergangenen Jahren "nicht besser geworden" sei. Zum Nachweis legte er eine Brillenverordnung von Augenärztin Dr. med. G. vor, wonach eine neue Brille aufgrund von zunehmenden Leseschwierigkeiten im Nahbereich erforderlich sei.
Außerdem fügte er seinem Antrag Angebote verschiedener Augenoptiker zwischen 298,00 € und 803,00 € bei. Die Krankenkasse habe eine Übernahme der Kosten abgelehnt.
Mit Bescheid vom 29.01.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 05.03.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für Januar 2014.
Den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Gleitsichtbrille aus dem Vermittlungsbudget lehnte der Beklagte mit gesondertem Bescheid vom 13.07.2014 ab. Er begründete dies damit, dass die Gleitsichtbrille nicht aus dem Vermittlungsbudget gefördert werden könne, weil vorrangig die Krankenkasse für den Ausgleich einer Sehschwäche zuständig sei. Im Übrigen müsse der Kläger die Brille aus Rücklagen anschaffen, die er aus dem Regelbedarf bilden könne. Soweit ihm dies nicht möglich sei, komme die Gewährung eines Darlehens in Betracht.
Hiergegen legte der Kläger am 28.07.2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er an, dass der Beklagte die Kosten übernehmen müsse, weil die Krankenkasse nicht leistungspflichtig sei und auch die Rentenversicherung sich nicht für zuständig erklärt habe. Rücklagen aus dem Regelbedarf könne er nicht bilden, da der Betrag bereits für Essen, Getränke und Tabakwaren zu gering sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Krankenkasse sei vorrangig zuständig, auch wenn sie aufgrund der Regelungen des SGB V bei Volljährigen faktisch keine Zuschüsse zu Sehhilfen leiste. Im Rahmen des Vermittlungsbudgets seien allenfalls Arbeitsplatz- und Bildschirmbrillen förderfähig, wenn sie notwendig seien, um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aufzunehmen oder an einer Maßnahme teilzunehmen.
Der Kläger hat am 01.09.2014 dagegen Klage erhoben. Es handle sich bei der Gleitsichtbrille um einen regelmäßig wiederkehrenden Sonderbedarf, da die Brille laufend angepasst werden müsse. Im Übrigen sei es verfassungswidrig, wenn kostspielige Aufwendungen für die Gesunderhaltung selbst zu tragen seien.
Der Kläger beantragt:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2014 verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung einer Brillenfassung sowie die Kosten einer Anschaffung der einfachsten entspiegelten Gleitsichtgläser aus dem Vermittlungsbudget unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, dass eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget bereits deshalb ausscheide, weil es sich weder um eine Arbeitsplatzbrille, noch um eine Bildschirmbrille, sondern um den Ersatz für eine vorhandene normale Brille handle. Ein Darlehen habe der Kläger ausdrücklich nicht beantragt. Ob der weitgehende Leistungsausschluss von Sehhilfen aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung verfassungswidrig sei, könne nur innerhalb dieses Sozialleis...