Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. Übersteigen der angemessenen Wohnungsgröße. Produkttheorie
Orientierungssatz
Ein Übersteigen der angemessenen Wohnungsgröße führt nur dann zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten insgesamt, wenn die Kosten der Unterkunft die Gesamtmiete für eine angemessen große Wohnung tatsächlich übersteigen.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass eine Obliegenheit des Klägers, seine Unterkunftskosten zu senken, derzeit nicht besteht.
2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich gegen eine Kostensenkungsaufforderung des Beklagten hinsichtlich der Kosten der Unterkunft (KdU).
Der Kläger bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er bewohnt ein Reihenhaus in der Heilbronner Straße 276 in Reutlingen, das in seinem Eigentum steht. Der Kläger entrichtet monatlich Darlehenszinsen i.H.v. 449,10 €. Diese Darlehnszinsen wurden seitens des Beklagten als Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft in der Vergangenheit anerkannt.
Mit Schreiben vom 26.10.2018 wurde der Kläger vom Beklagten über die Unangemessenheit der Höhe seiner Kosten der Unterkunft belehrt. Es wurde ihm mitgeteilt, dass ab dem 1.5.2019 nur noch die nach Auffassung des Beklagten angemessenen Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 394 € als Bedarf anerkannt würden. Weiterhin wurde er aufgefordert, Nachweise zu erbringen, die sein Bemühen um eine Kostensenkung belegen.
Der Kläger hat gegen das Kostensenkungsaufforderungsschreiben vom 26.10.2018 am 22.11.2018 Widerspruch eingelegt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.2.2019 als unzulässig verworfen. Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass das Kostensenkungsaufforderungsschreiben kein rechtsmittelfähiger Bescheid sei. Ein Widerspruch sei damit unzulässig.
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 13.3.2019 erhobene und am 13.3.2019 bei Gericht eingegangene Klage. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Kostensenkungsaufforderung rechtswidrig und die vom Beklagten als angemessen erachtete Miete i.H.v. 394 € zu gering ist. Vielmehr müsse ein Zuschlag von 10 % hinzugerechnet werden. Die angemessenen Kosten der Unterkunft würden sich demnach auf 433,40 € monatlich belaufen.
Mit Verfügung vom 9.7.2019 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass die Kostensenkungsaufforderung nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit kein Verwaltungsakt ist, sondern lediglich eine Aufklärungs- und Warnfunktion hat und der Widerspruch daher tatsächlich unzulässig gewesen sein dürfte.
Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31.7.2019 auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 15.6.2016, Az. B4 AS 36/15 R hingewiesen. Demnach sei vorliegend eine Feststellungsklage zulässig und begründet, mit der festgestellt wird, dass der Kläger keine Obliegenheit zur Kostensenkung hat.
Mit Verfügung vom 20.9.2019 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 31.7.2019 eine Klageänderung gemäß § 99 SGG vorgenommen hat, die sachdienlich und zulässig ist.
Der Kläger hat demnach sachdienlich gefasst beantragt:
Es wird festgestellt, dass eine Obliegenheit des Klägers, seine Unterkunftskosten zu senken, derzeit nicht besteht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest. Er sei an die Weisungen des kommunalen Kostenträgers gebunden und könne keine abweichende Entscheidung treffen.
Das Gericht hat eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit Verfügung vom 22.10.2019 angekündigt und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung kann durch Gerichtsbescheid gem. § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) getroffen werden. Die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 S. 1 SGG sind erfüllt. Der Sachverhalt ist ausreichend geklärt. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Die Beteiligten haben einen entsprechenden Hinweis und Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.
Die Klageänderung war im Sinne der Verfahrensökonomie sachdienlich und zulässig (§ 99 SGG). Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Klage auf Feststellung, dass keine Kostensenkungsobliegenheit besteht, ist nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15.06.2016 - B 4 AS 36/15 R zulässig, wenn der Dialog über das Kostensenkungserfordernis beendet ist, der Leistungsträger an der Kostensenkungsaufforderung festhält, ein berechtigtes Interesse in der Gestalt einer Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Kostensenkung vom Leistungsberechtigten darg...