Leitsatz (amtlich)

Die Zeit zwischen der Erlangung der allgemeinen Hochschulreife nach rheinland-pfälzischem Landesrecht und dem Beginn eines Studiums, das nur zum Wintersemester aufgenommen werden kann, ist eine unvermeidbare Zwischenzeit iS der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Zeiträumen zwischen dem Ende des Zivil- oder Wehrdienstes und der Aufnahme einer Ausbildung. Für diese Zwischenzeit ist daher eine Waisenrente zu zahlen, auch wenn sie länger als 4 Monate andauert.

 

Orientierungssatz

Vergleiche BSG vom 30.3.1994 - 4 RA 45/92 = SozR 3-2200 § 1267 Nr 3 und BSG vom 27.2.1997 - 4 RA 21/96 = SozR 3-2600 § 48 Nr 1.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 18.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.7.2003 wird aufgehoben, soweit die Halbwaisenrente für die Zeit vom 1.4.2002 bis zum 31.7.2002 entzogen wurde.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Halbwaisenrente für die Zeit zwischen der Ablegung des Abiturs durch die Klägerin und der Aufnahme ihres Studiums.

Der am ....1982 geborenen Klägerin, bei der ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt ist, wurde durch Bescheid vom 24.6.1996 eine Halbwaisenrente aus der Versicherung ihrer am 12.4.1996 verstorbenen Mutter A. B. gewährt.

Im März 2002 legte die Klägerin ihr Abitur ab. Zum 1.10.2002 nahm sie ein Hochschulstudium auf.

Die Beklagte entzog ihr daraufhin gemäß § 48 SGB X durch Bescheid vom 18.2.2003 die Hinterbliebenenrente für den Zeitraum vom 1.4.2002 bis zum 30.9.2002 und ordnete die Erstattung der dadurch entstandenen Überzahlung in Höhe von 788,97 EUR nach § 50 SGB X an.

Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, für einen Studienbeginn zum Sommersemester 2002 habe bis zum 15.1.2002 das Abiturzeugnis vorgelegt werden müssen. Dieses habe sie zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht besessen, da es ihr erst am 15.3.2002 ausgehändigt worden sei. Sie habe sich daher erst zum Wintersemester einschreiben können. Hierdurch sei sie mehr als 4 Monate nicht in einer Ausbildung gewesen. Diese Lücke sei ohne ihr Verschulden entstanden. Einen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld habe sie in diesem Zeitraum auch nicht gehabt.

Durch Widerspruchsbescheid vom 30.7.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, für eine Zeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten bestehe ein Anspruch auf Waisenrente, wenn bei Beendigung des ersten Ausbildungsabschnittes beabsichtigt sei, spätestens bis zum ersten Tag des fünften auf die Beendigung des ersten Ausbildungsabschnittes folgenden Kalendermonats den zweiten Ausbildungsabschnitt aufzunehmen und die Aufnahme der weiteren Ausbildung bis zu diesem Zeitpunkt erfolge. Geschehe dies nicht, ende der Anspruch auf Waisenrente mit dem Ablauf des Monats, in dem dies erkennbar werde.

Hiergegen hat die Klägerin rechtzeitig Klage erhoben.

Sie bezieht sich auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 18.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.7.2003 aufzuheben, soweit die Halbwaisenrente für die Zeit vom 1.4.2002 bis zum 31.7.2002 entzogen wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Zeit von April bis September 2002 sei keine waisenrentenanspruchsbegründende Übergangszeit i.S.d. § 48 Abs. 4 SGB VI a.F. gewesen. Nach der Rechtsprechung des BSG sei insoweit die Viermonatsfrist des § 2 Abs. 2 BKGG anwendbar. Diese Frist sei im vorliegenden Fall überschritten. Die Rechtsprechung des BSG zu wehr- oder zivildienstbedingten unvermeidbaren Ausbildungspausen sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Trotz des bei der Klägerin festgestellten GdB von 50 liege auch keine waisenrentenanspruchsbegründende Behinderung i.S.d. § 48 Abs. 4 Nr. 2 b SGB VI vor, da die Klägerin trotz ihrer Behinderung grundsätzlich nicht gehindert sei, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Nach § 48 Abs. 4 SGB VI in der seit dem 1.8.2004 geltenden Fassung sei eine Weiterzahlung der Waisenrente bei einer Überschreitung der Höchstdauer von vier Kalendermonaten auch dann nicht mehr möglich, wenn die Ausbildung bzw. der Wehr- oder Zivildienst allein aus generell unvermeidbaren schul- bzw. wehr- oder zivildienstorganisatorischen Gründen nicht innerhalb der Frist habe aufgenommen werden können. § 48 Abs. 4 Nr. 1b SGB VI in der ab dem 1.8.2004 geltenden Fassung bringe den Willen des Gesetzgebers, für welche Zeiten ein Anspruch auf Waisenrente bestehe, eindeutig zum Ausdruck.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten. Der wesentliche Inhalt der Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von Halbwaisenrente für den Zeitraum vom 1.4.2002 bis zum 31.7.2002.

Nach § 48 Abs. 1 SGB VI...

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