Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Beitragszuschlag für Kinderlose ist nicht verfassungswidrig
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erhebung eines Beitragszuschlages von 0,25% für kinderlose Versicherte (§ 55 Abs 3 SGB 11) verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
2. Die vom Bundesverfassungsgericht (vgl Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 = BVerfGE 103, 242) geforderte relative Entlastung beitragspflichtiger Versicherter mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung bei der Bemessung der Beiträge durfte der Gesetzgeber so ausgestalten, dass zwar die Beitragsbelastung Versicherter mit Kindern nicht abgesenkt, sondern die Beitragsbelastung Versicherter ohne Kinder erhöht wird.
3. Die Beitragssatzerhöhung um 0,25% verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 GG, da die Verfassung insoweit kein Recht auf Beibehaltung des gesetzlich festgelegten Beitragssatzes gewährt.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Berechtigung der Beklagten zur Erhebung eines Beitragszuschlages von 0,25% in der Pflegeversicherung ab 1.1.2005 für Kinderlose nach Vollendung des 23. Lebensjahres.
Die Klägerin, geboren 1957, ist seit 1.3.2003 versicherungspflichtiges Mitglied bei der Beklagten. Sie hat eine Elterneigenschaft nicht nachgewiesen und bezieht nicht Arbeitslosengeld II. Seit 1.1.2005 erhebt die Beklagte einen Zuschlag von 0,25% auf den Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung. Hiergegen erhob die Klägerin am 30.3.2005 Widerspruch. Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 11.5.2005 zurückgewiesen. Zur Begründung verweist die Beklagte darauf, dass mit dem Gesetz zur Berücksichtigung der Kindererziehung (Kinder-Berücksichtigungsgesetz - KiBG) vom 15.12.2004 für Kinderlose in der sozialen Pflegeversicherung ein Beitragszuschlag von 0,25% eingeführt worden sei. Die Klägerin gehöre nicht zu den ausgenommen Personengruppen. Die Gründe, warum jemand ohne Kinder sei, sei für den Beitragszuschlag ohne Bedeutung.
Hiergegen erhob die Klägerin am 20.5.2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart. Sie führt aus, die zusätzliche Abgabe sei eine Diskriminierung, Beleidigung und Abwertung aller kinderloser Bundesbürger. Die Würde des Menschen sei unantastbar, niemand dürfe wegen seines Glaubens, Geschlechts usw. benachteiligt werden. Dies sei aufs schwerste verletzt worden. Es entspreche nicht der Wahrheit, dass der Bundesgerichtshof beschlossen habe, die Kinderlosen mit einem höheren Pflegeversicherungsbeitrag zu belasten. Die zusätzliche Abgabe sei eine reine Willkür. Durch ihre Steuerklasse sei sie einer viel größeren Abgabenlast ausgesetzt, sodass es ihr nicht mehr möglich sei auch noch für ihr Alter zurückzulegen.
Die Klägerin hat keinen schriftsätzlichen und ausdrücklichen Antrag gestellt, begehrt jedoch sinngemäß, den Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11.5.2005 aufzuheben und ab 1.1.2005 die Beitragszahlung ohne den Beitragszuschlag von 0,25 % zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass Grundlage des ab 1.1.2005 geltenden zusätzlichen Beitrags zur Pflegeversicherung die Entscheidung des BVerfG im Urteil vom 3.4.2001 (1 BvR 1629/94 - USK 2001-9) sei. Dem Gesetzgeber sei auferlegt worden, bis längstens eine 31.12.2004 eine Regelung zu treffen, die die Kindererziehungsleistung in der umlagefinanzierten sozialen Pflegeversicherung bei der Beitragsbemessung berücksichtige. Der Gesetzgeber habe in der Folge das Gesetz zur Berücksichtigung der Kindererziehung vom 15.12.2004 erlassen. Mit diesem Gesetz werde für Kinderlose in der sozialen Pflegeversicherung ein Beitragszuschlag von 0,25% eingeführt. Der Beitragssatz von 1,7% gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XI erhöhe sich für kinderlose Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25%, § 55 Abs. 3 SGB XI. Die Klägerin gehöre nicht zu den ausgenommen Personengruppen. Es obliege nicht der Beklagten zu beurteilen, ob die Einführung des Zuschlages von 0,25% in der sozialen Pflegeversicherung gegen das Grundgesetz verstoße.
Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 17.11.2005 auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen, in ihnen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, worin sich eine Kopie der Verwaltungsakte der Beklagten befindet (Blatt 18 bis 19 der Gerichtsakte), Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die beim sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Stuttgart form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, in der Sache ist sie jedoch ohne Erfolg, sie ist unbegründet. Die Heranziehung der Klägerin zu einem erhöhten Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung ist nicht rechtswidrig, die Klägerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt.
Nachdem der vorliegende Rechtsstreit weder in tats...