Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Finanzierung von Hilfen an notleidende Krankenkassen nach § 265a SGB V in der bis zum 26.10.2006 geltenden Fassung
Orientierungssatz
1. Mit der Regelung in § 265 a SGB 5 in der bis zum 26. 10. 2006 geltenden Fassung hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eines freiwilligen Finanzausgleichs zwischen den Krankenkassen einer Kassenart geschaffen. Dabei hat er die Verringerung und Beseitigung von Beitragsunterschieden gebilligt, die nach Durchführung des Risikostrukturausgleichs verbleiben.
2. Die Regelung stellt sicher, dass an der Finanzierung der Hilfen zur Vermeidung der Schließung oder der Insolvenz einer Krankenkasse nur Krankenkassen beteiligt werden, deren Landesverbände dem Antrag auf Gewährung einer finanziellen Hilfe zugestimmt haben. Stimmt nur der Landesverband der antragstellenden Krankenkasse zu, bleibt der Ausgleich auf die Mitglieder dieses Landesverbandes beschränkt. Stimmen alle Landesverbände zu, wird der Ausgleich bundesweit durchgeführt.
3. Die Mitgliedskassen sind an die Zustimmung ihres Landesverbandes gebunden und müssen diese akzeptieren.
4. Eine unzulässige Bedingung in der Zustimmungserklärung eines Landesverbandes hat deren Nichtigkeit zur Folge.
5. Die Funktion einer in Not geratenen Krankenkasse kann nur verwirklicht werden, wenn ursachenneutral überschuldeten Krankenkassen geholfen wird. Demgemäß stellt § 265 a SGB 5 a. F. eine Ausprägung des Solidargedankens dar.
6. Das GG lässt den kassenübergreifenden Solidarausgleich zu und fordert nicht, den verfassungsrechtlich legitimierten sozialen Ausgleich jeweils an den Grenzen der einzelnen Krankenkassen enden zu lassen.
7. Die Anknüpfung an den allgemeinen Beitragssatz zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit einer Kasse ist nicht sachwidrig und damit rechtmäßig.
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 19.5.2006 (Ausgleichsverfahren zugunsten der BKK für Heilberufe) wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 10 % und der Beklagte 90 %.
3. Der Streitwert wird auf 497.412,- € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen verschiedene Umlagebescheide des Beklagten im Rahmen der Gewährung finanzieller Hilfen an notleidende Betriebskrankenkassen.
Die Klägerin ist als Betriebskrankenkasse (BKK), die jedenfalls im Zeitraum ab 2004 i.S. des § 173 Abs. 2 Nr. 4 SGB V geöffnet war, Mitglied des BKK Landesverbandes Baden-Württemberg. Die Satzung des Beklagten in der vom Verwaltungsrat am 08. Dezember 2004 beschlossenen (vgl. Anlagen Beklagter Nr. 10), durch das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung genehmigten (vgl. Bl. 258, 300 ff. der Akten) und in der Zeitschrift “Die BKK„, Ausgabe Januar 2005 bekannt gemachten Fassung (vgl. Anlagen Beklagter Nr. 10 und Bl. 259 ff. der Akten) enthält in § 17 eine Vorschrift über “finanzielle Hilfen in besonderen Notlagen der Betriebskrankenkassen (§ 265a SGB V)„. Diese lautete wie folgt:
“1. Der Bundesverband kann auf schriftlichen Antrag des Vorstandes einer Betriebskrankenkasse finanzielle Hilfen in besonderen Notlagen leisten. Die Hilfen können auch als Darlehen gewährt werden.
2. Über den Antrag auf finanzielle Hilfen entscheidet der Vorstand. Die Entscheidung über die Hilfe bedarf der Zustimmung der beteiligten Landesverbände. Betriebskrankenkassen, deren Landesverbände der Hilfe nicht zustimmen, nehmen am Ausgleichsverfahren nicht teil. Für die Betriebskrankenkassen der Dienstbetriebe des Bundes nimmt der Bundesverband die Funktion des Landesverbandes wahr.
3. Näheres über Voraussetzungen, Dauer, Umfang, Aufbringung der Mittel sowie über die Durchführung des Verfahrens regeln die Ausgleichsordnungen zur Umsetzung der finanziellen Hilfen in besonderen Notlagen, die Bestandteil der Satzung sind (Anlage 2 und 3).
4. Für die Berechnung und Durchführung der finanziellen Hilfe findet § 313 Abs. 10 lit. a SGB V in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.„
Der Beklagte erließ als Anlage 3 zur Satzung eine Ausgleichsordnung 2004 (Bl. 118 ff. der Akten S 4 KR 2698/05). In § 1 werden die Voraussetzungen der finanziellen Hilfen geregelt, in § 2 Art und Umfang der finanziellen Hilfen. § 3 (Finanzierung) der Ausgleichsordnung 2004 (AO 2004) lautete wie folgt:
“1. BKK haben nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit differenzierte Umlagen zur Finanzierung der nach § 2 bewilligten finanziellen Hilfen zu zahlen.
Die Umlageverpflichtung für die einzelne BKK ist das Produkt aus ihren beitragspflichtigen Einnahmen nach § 267 Abs. 1 Nr. 2 SGB V und einem kassenindividuell ermittelten Hebesatz.
Der Hebesatz berechnet sich für die einzelne BKK nach Maßgabe folgender Belastungsstufen:
(1) BKK mit allgemeinem Beitragssatz nach § 241 SGB V unterhalb der um 0,3 erhöhten Summe der Ausgleichsbedarfssätze gemäß § 266 Abs. 3 und § 269 Abs. 1 SGB V (ABS) werden mit der Differenz zwischen ihrem allgemeinen Beitragssatz und dem um 0,3 erhöhten ABS belastet...