Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Bedarfsplanung. Überversorgung. Sonderbedarfszulassung nach § 101 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 5. ungedeckter pädaudiologischer Versorgungsbedarf. Beurteilungsspielraum des Zulassungsausschusses. Wartezeiten von bis zu vier Monaten. Aufnahme von Leistungstatbeständen für Fachärzte für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen in den EBM

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anzeichen dafür, dass ein weiterer ungedeckter pädaudiologischer Versorgungsbedarf besteht, ist bereits darin zu sehen, dass Wartezeiten von bis zu vier Monaten bestehen.

2. Bei der Frage, ob ein Versorgungsbedarf im pädaudiologischen Bereich vorliegt, ist dem Umstand erhebliche Bedeutung beizumessen, dass im EBM (juris: EBM-Ä 2008) Leistungstatbestände aufgenommen worden sind, die nur von Fachärzten für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen abgerechnet werden dürfen.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 12.04.2017 (Beschluss vom 30.11.2016) verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 04.09.2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Beschränkung des hälftigen Versorgungsauftrags zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen im Rahmen einer Sonderbedarfszulassung streitig.

Dem 1970 geborenen Kläger wurde im Jahr 2000 die Approbation als Arzt erteilt. Er ist als Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und als Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen anerkannt. Er ist zudem berechtigt, die Zusatzbezeichnungen Notfallmedizin und Stimm- und Sprachstörungen zu führen.

Mit Beschluss vom 23.03.2011 wurde der Kläger vom Zulassungsausschuss für Ärzte als Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen und Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde für den hälftigen Vertragsarztsitz in X im Planungsbereich Landkreis X zur Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit mit einem hälftigen Versorgungsauftrag zugelassen. Er ist in einer örtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit HNO-Fachärzten tätig.

Mit Schreiben vom 26.11.2012 beantragte der Kläger beim Zulassungsausschuss für Ärzte die Aufhebung der Beschränkung des hälftigen Versorgungsauftrags im Bereich der Sprach-, Stimm- und kindlichen Hörstörungen. Zur Begründung führte er aus, im Landkreis X mit ca. 161.000 Einwohnern gebe es nur ihn als Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen, so dass die Patientenzahl stetig steige. Es kämen zunehmend auch Patienten aus umliegenden Landkreisen. Auf seinem Fachgebiet bestehe eine Unterversorgung. Mit der Einführung des Facharztes für Phoniatrie und Pädaudiologie sei die Notwendigkeit dokumentiert worden, ursprünglich komplett im HNO-Fachgebiet durchgeführte Untersuchungen durch speziell ausgebildete Fachärzte ausführen zu lassen. Mit Schreiben vom 27.12.2012 teilte der Kläger mit, er beantrage lediglich eine Aufhebung seiner Begrenzung im Bereich des EBM-Kap. 20 und nicht im Kapitel der HNO-Ärzte. Darüber hinaus gab der Kläger an, es solle bevorzugt der Landkreis X versorgt werden. In den angrenzenden Landkreisen und auch darüber hinaus bestehe keine Versorgung durch einen niedergelassen Phoniater/Pädaudiologen. Die nächsten niedergelassenen Kollegen seien in S., R., R. und V. Inzwischen stiegen seine Wartezeiten deutlich.

Eine Nachfrage des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Beigeladenen Ziff. 1 ergab, dass im Landkreis X nur der Kläger als Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen tätig ist, sein Kollege und zwei Ärzte in L. jedoch auch Leistungen nach GOP 20 erbrächten. Auf Nachfrage des Zulassungsausschusses für Ärzte teilte HNO-Arzt Dr. B. aus S., er erbringe phoniatrische und pädaudiologische Leistungen in geringem Umfang, wobei keine Aufnahmekapazitäten in diesem Bereich bestünden und er nicht über eine Ausstattung zur Versorgung von Kleinstkindern verfüge. HNO-Arzt Dr. H. aus H. gab an, er erbringe keine phoniatrischen und pädaudiologischen Leistungen, da er von dieser Möglichkeit nicht gewusst habe. Diesbezügliche Aufnahmekapazitäten bestünden reichlich, bis zu 200 Quartal. Er verfüge auch über die Ausstattung zur Versorgung von Kleinstkindern. Zugleich teilte er mit, dass er Widerspruch einlegen werde, wenn dem Antrag des Klägers stattgegeben werden würde. HNO-Arzt Dr. F. aus W. führte aus, er erbringe keine phoniatrischen und pädaudiologischen Leistungen, so dass die Frage nach Aufnahmekapazitäten entfalle. Er verfüge über die nötige Ausstattung zur Versorgung von Kleinstkindern. HNO-Arzt Dr. H. teilte mit, er besitze wie alle anderen HNO-Ärzte im Landkreis keine Zulassung für EBM-Ziffern des Kap. 20. Die diesbezüglichen Behandlungen erfolgten allein durch den Kläger. Dessen Patienten müssten 2-3 Wochen auf einem Termin w...

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