Entscheidungsstichwort (Thema)
Rehabilitation. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hilfsmittelversorgung. Sportrollstuhl für Vereinssport. Anspruch im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB 12. kein krankenversicherungsrechtlich anzuerkennendes Grundbedürfnis. Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers
Leitsatz (amtlich)
1. Ein im Sinn des SGB XII hilfebedürftiger Behinderter hat im Rahmen der Eingliederungshilfe einen Anspruch auf Versorgung mit einem zur Teilnahme am Vereinssport erforderlichen Hilfsmittel.
2. Der Vereinssport gehört zu den verbreiteten und wichtigen Formen der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, unabhängig vom Vorliegen einer Behinderung. Unter Gleichbehandlungsaspekten muss dem Behinderten die Teilnahme an einer im Verein und einer Mannschaft ausgeübten Sportart ermöglicht werden.
Orientierungssatz
1. Vereinssport ist kein krankenversicherungsrechtlich anzuerkennendes Grundbedürfnis. Hilfsmittel, die zur Ausübung von Sport als Freizeitgestaltung dienen, sind von der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossenen (vgl BSG vom 18.5.2011 - B 3 KR 10/10 R = SozR 4-2500 § 33 Nr 35).
2. Der materiell-rechtlich eigentlich zuständige Rehabilitationsträger verliert im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine originäre Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger eine iSv § 14 Abs 1 SGB 9 fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist (vgl BSG vom 3.2.2015 - B 13 R 261/14 B, BSG vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R = BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, BSG vom 26.6.2007 - B 1 KR 34/06 R = BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4).
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 28.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2014 verurteilt, den Kläger mit einem seinen Bedürfnissen entsprechenden Sportrollstuhl gemäß der Verordnung vom 07.03.2014 zu versorgen.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versorgung des Klägers mit einem Sportrollstuhl.
Der im April 1996 geborene Kläger leidet an einer Myelomeningocele (MMC), einer neuro-degenerativen Rückenmarkserkrankung, die beim Kläger mit Lähmungserscheinungen und einem Muskelabbau einhergeht. Er ist deswegen auf einen Rollstuhl angewiesen und von der Beklagten mit einem Aktivrollstuhl versorgt.
Seit dem Schuljahr 2012/2013 besucht der Kläger die S.-H.-Schule in N., eine staatlich anerkannte Privatschule sowohl für Körperbehinderte als auch Nichtbehinderte, und ist dort internatsmäßig untergebracht. Seit dem Schuljahr 2015/2016 ist er Schüler des Sozialwissenschaftlichen Gymnasiums dieser Schule. Kostenträger für diese Hilfe zur angemessenen Schulbildung ist die beigeladene Kreisverwaltung B.-W. als Sozialhilfeträger.
Der Kläger ist Mitglied der Sportgemeinschaft H.-K., Abteilung Rollstuhlsport, und war Mitglied der Rollstuhlbasketballschulmannschaft seiner Schule, mit der er 2014 1. Bundessieger im Wettbewerb “Jugend trainiert für Paralympics„ wurde.
Der Kläger und seine (unterhaltspflichtigen) Angehörigen verfügen über kein solches Einkommen oder Vermögen, aus dem er zu einem Eigenanteil bei Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) herangezogen werden könnte.
Mit einer ärztlichen Verordnung der Kinder- und Jugendärztin Dr. B., T., vom 07.03.2014 wendete der Kläger sich an die Beklagte und begehrte die Versorgung mit einem Aktivrollstuhl nach Maß für Schul- und Rehasport im Sonderbau.
Die Beklagte lehnte die Übernahme der Kosten für einen Spezialaktiv-Rollstuhl durch Bescheid vom 28.03.2014 ab. Das Hilfsmittel diene nicht der Krankenbehandlung oder dem Behinderungsausgleich. Zur Ausübung des Reha-Sports auf Breitensport-Niveau seien spezielle Sportrollstühle nicht notwendig, vielmehr könne der Reha-Sport mit einem Aktivrollstuhl ausgeübt werden. Kosten für Sportrollstühle, die Versicherte lediglich für eine bestimmte Sportart oder für den Leistungssport benötigten, seien durch die Krankenkasse nicht zu übernehmen.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, da der vorhandene Rollstuhl für die Belastungen durch den Sport nicht ausgerichtet sei und reparaturbedürftig werde. Zudem stelle der Rollstuhl wegen seiner Ausstattung eine Verletzungsgefahr für ihn und die anderen Sportler dar. Es sei ihm nur mit dem begehrten Sportrollstuhl möglich, zu trainieren und somit Folgeerkrankungen vorzubeugen. Die beantragte Rollstuhlversorgung bedeute nicht nur eine Förderung der körperlichen Entwicklung, sondern verbessere auch die Möglichkeiten am Reha-, Schul- und Freizeitsport teilzunehmen. Der von der Beklagten hinzugezogene Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) kam zu dem Ergebnis, bei dem gewünschten Rollstuhl handele es sich um einen reinen Sportrollstuhl zum Basketballspielen. Die beantragte Rollst...