Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Darlehen für Mietschulden. drohende Wohnungslosigkeit. Möglichkeit der Sicherung der angemessenen Unterkunft. Eignung der Wohnung für 2 Personen. Gerechtfertigkeit und Notwendigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Führen Mietschulden zu drohender Wohnungslosigkeit, weil keine andere anmietbare Wohnung zur Verfügung steht, die Gefahr durch Zahlung der rückständigen Miete abwendbar und die Wohnung kostenangemessen ist, verbleibt regelmäßig keine andere Entscheidung als die Übernahme der Schulden (Anschluss an BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R = BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41).
2. Wirtschaftlich unvernünftiges, vorwerfbares Verhalten, führt nach § 22 Abs 8 S 2 SGB 2 nicht zur Ablehnung der Schuldenübernahme, soweit kein missbräuchliches, zielgerichtetes Verhalten zu Lasten des SGB 2-Trägers gegeben ist.
3. Eine 2-Zimmerwohnung mit einer Größe von 49,40 qm begründet für ein Ehepaar nicht allein aufgrund der niedrigen Wohnungsgröße die Notwendigkeit eines Umzugs. Denn die Angemessenheitsgrenze von 60 qm für 2 Personen stellt lediglich einen Maximalwert dar.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, gem. § 22 Abs. 8 SGB II ein Darlehen in Höhe von 4215,38 Euro zu gewähren. Die Auszahlung hat direkt an den Vermieter des Antragstellers zu erfolgen.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe
Der Antragsteller begehrt die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 4215,38 Euro zur Begleichung von Mietschulden.
Sein sinngemäßer Antrag ist dahin auszulegen,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm vorläufig, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, gem. § 22 Abs. 8 SGB II ein Darlehen in Höhe von 4215,38 Euro zu gewähren.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache - möglicherweise - zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (Conradis in LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, Anhang Verfahren Rn. 136).
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch, d.h. den materiellen Anspruch auf ein Darlehen zur Begleichung der Mietschulden und den Anordnungsgrund, d.h. die besondere Eilbedürftigkeit, glaubhaft gemacht.
Nach § 22 Abs. 8 Zweites Buch, Sozialgesetzbuch -SGB II-, können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden, § 22 Abs. 8 Satz 4 SGB II.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor. Dem Antragsteller werden derzeit Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II erbracht. Die Übernahme der Schulden ist zudem notwendig, um eine Wohnungslosigkeit zu verhindern. Der Vermieter des Antragstellers hat den Mietvertrag unter dem 26.08.2014 fristlos gekündigt, weil sich der Antragsteller mit der Zahlung von mehr als zwei Monatsmieten im Rückstand befand. Der Vermieter hat zudem erklärt, das Mietverhältnis unter unveränderten Bedingungen fortzusetzen, wenn der Antragsteller die Mietrückstände sowie die Verfahrenskosten der Räumungsklage kurzfristig begleicht.
Wohnungslosigkeit droht nicht erst bei bevorstehender Obdachlosigkeit, sondern bereits dann, wenn der Verlust der bewohnten, kostenangemessenen Wohnung z.B. aufgrund einer Vermieterkündigung droht (LSG Bayern, Beschluss v. 04.08.2010, L 2 AS 356/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 27.09.2007, L 32 B 1558/07 AS ER; Berlit in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 22 Rn. 191 m.w.N.) und keine konkrete Möglichkeit besteht, Ersatzwohnraum zu erhalten (BSG, Urteil v. 17.06.2010, B 14 AS 58/09 R; Krauß in: Hauck/Noftz, § 22 Rn. 153). Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller eine andere, kostenangemessene Wohnung zeitnah anmieten könnte. Ein entsprechendes Wohnungsangebot liegt ihm nach eigenen Angaben nicht vor.
Die Übernahme der Mietschulden ist zur Sicherung der Unterkunft geeignet und gerechtfertigt. Der Begriff gerechtfertigt ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der wertend unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles auszulegen ist (Ber...