Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Unterlassungsverfügung bzgl Mitgliederinformation über Inanspruchnahme von Versandapotheke. Androhung von Ordnungsgeld bzw -haft

 

Leitsatz (amtlich)

Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, beim Erlass einer Unterlassungsverfügung auf entsprechenden Antrag hin Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft anzudrohen.

 

Tenor

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,- Euro für jeden Fall des Zuwiderhandelns, ersatzweise von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin, untersagt, im geschäftlichen Verkehr ihre im Freistaat Thüringen wohnhaften Mitglieder durch schriftliche Werbung wie im Schreiben vom 9. Juni 2008 dahingehend zu beeinflussen, dass diese ihre zu Lasten der Antragsgegnerin verordneten Medikamente über die E. A. V. beziehen.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Gründe

I.

Der begehrten einstweiligen Anordnung liegt die zwischen den Beteiligten in Streit stehende Verpflichtung der Antragsgegnerin zugrunde, Informationen ihrer Mitglieder über die Inanspruchnahme einer Versandapotheke zu unterlassen.

Mit Schreiben von Mai 2006 teilte die Antragsgegnerin einer unbekannten Anzahl ihrer Mitglieder unter der Überschrift "Arzneimittel bequem, sicher und preiswert bestellen" u. a. Folgendes mit:

"...Deshalb haben wir mit unserem Partner, der E. A. V. für Sie attraktive Vorteile vereinbart. Mit dem Bonussystem der E. A. V. sparen Sie bei jeder Bestellung, etwa bei einem verschreibungspflichtigen Medikament auf Kassenrezept mindestens 2,50 € und maximal 15,00 €. Sie erhalten diesen Bonus auch, wenn Sie von der Zuzahlung befreit sind. Damit können Sie ihre finanziellen Belastungen für Medikamente deutlich reduzieren...Selbstverständlich stehen Ihnen auch weiterhin die Apotheken vor Ort zur Verfügung..."

Dem Schreiben war eine Informationsbroschüre der E. A. V. beigefügt.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2006, forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin unter Hinweis auf den Arznei- und Hilfsmittellieferungsvertrag (AHLV) erfolglos zur Unterlassung und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Diese ist Vertragspartner des am 1. September 2003 in Kraft getretenen und zwischen ihm und den Primärkassen, darunter auch dem BKK Landesverband Ost, abgeschlossenen AHLV.

Im Juni 2008 versandte die Antragsgegnerin wiederum an eine unbekannte Anzahl ihrer Mitglieder Werbebroschüren der niederländischen Versandapotheke E. A. V.und warb in einem Begleitschreiben unter der Überschrift "Die Dreifach-Garantie der E. A. V.: günstig, sicher und bequem" u. a. für einen "persönlichen Bonus", den die Versicherten bei dieser Apotheke auf zuzahlungspflichtige Arzneimittel sowie frei verkäufliche Produkte erhalten. Auf den Inhalt des Schreibens vom 9. Juni 2008 und der Werbebroschüre (Bl. 5 bis 7 der Akte des Sozialgerichts Gotha, Az.: S 3 KR 3089/08 ER) wird Bezug genommen.

Mit seiner am 26. September 2006 vor dem Sozialgericht Gotha (SG) erhobenen Klage hat der Antragsteller von der Antragsgegnerin die Unterlassung der Beeinflussung ihrer Versicherten zu Gunsten einer bestimmten Apotheke, z.B. der E. A. V., begehrt und sich zur Begründung auf Ziffer 2.2 des AHLV, wonach die Versicherten weder von den Apotheken zu Lasten der Krankenkassen noch von den Krankenkassen zugunsten bestimmter Apotheken/Lieferanten beeinflusst werden dürften, berufen. Das SG hat die Antragsgegnerin mit Gerichtsbescheid vom 20. Januar 2009 in der Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 10. März 2009 verurteilt, es unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 € für jede Zuwiderhandlung "zu unterlassen, ihre Versicherten zu beeinflussen, Medikamente in einer bestimmten, namentlich genannten Apotheke, z. B. der E. A. V., zu bestellen, insbesondere wenn dies geschieht wie in dem beigefügten Schreiben (mit Anlagen) an eine Versicherte vom Mai 2006". Den Streitwert hat es auf 100.000,- Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller könne von der Antragsgegnerin die Abgabe der begehrten Unterlassungserklärung verlangen. Dies ergebe sich aus Ziffer 2.2 des AHLV. Danach dürften die Versicherten oder Vertragsärzte weder von den Apotheken zu Lasten der Krankenkassen noch von den Krankenkassen zugunsten bestimmter Apotheken/Lieferanten beeinflusst werden. Die Schreiben der Antragsgegnerin widersprächen dem in dieser Ziffer des AHLV vereinbarten Wettbewerbsverbot. Mit diesen Schreiben an ihre Versicherten weise die Antragsgegnerin diese auf finanzielle Vorteile hin, die ihnen entstünden, wenn sie ihre Medikamente über der E. A. V. bezögen. Darin sei eine Beeinflussung der Versicherten zu sehen. Demgegenüber falle der Hinweis am Ende der Schreiben, dass auch weiterhin die Apotheken...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?