Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. weitere Gesundheitsstörung auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet. Amnesie: Nachweis im Sinne eines organisch-amnestischen Syndroms nach ICD-10 F04. nicht validierte Nachweismethode: Diffusion Tensor Imaging (DTI). Leitlinie "Begutachtung nach gedecktem Schädel-Hirntrauma im Erwachsenenalter" AWMF-Registernummer 094-002 Stand Juli 2018. unfallbedingte Schädelprellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen an eine vollbeweisliche Sicherung einer funktionellen Amnesie im Sinne eines organisch-amnestischen Syndroms nach ICD-10 F04.

2. Die Darstellung der Faserbahnen des Gehirns mittels Diffusion Tensor Imaging (DTI) ist als Methode zur Feststellung traumatischer Hirnverletzungen bislang nicht ausreichend validiert. Die einschlägige Leitlinie "Begutachtung nach gedecktem Schädel-Hirntrauma im Erwachsenenalter" AWMF-Registernummer 094-002 Stand Juli 2018 geht davon aus, dass das MRT mit DTI zwar Hinweise geben kann, jedoch bisher für die Bewertung des Einzelfalls Normwerte fehlen und die Spezifität daher nicht abschließend geklärt ist.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 15. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob weitere Gesundheitsstörungen auf neurologischem und psychiatrischem Fachgebiet (insbesondere eine Amnesie) Folge des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalles vom 5. Juni 2008 sind und ob der Kläger deshalb die Zahlung einer Verletztenrente beanspruchen kann.

Der 1958 geborene Kläger war an diesem Tag mit dem Bestücken eines Zigarettenautomaten beschäftigt, als er sich bückte und beim Wiederaufrichten mit seinem Hinterkopf gegen die geöffnete Tür des Zigarettenautomaten schlug. Er stürzte, fiel auf das Gesicht und war anschließend ca. 15 Minuten bewusstlos. Der Notarzt veranlasste die Einweisung in das Kreiskrankenhaus R. an der F. Dort befand er sich bis zum 18. Juni 2008 in stationärer Behandlung. Diagnostiziert wurden eine antero- und retrograde Amnesie nach Schädel-Hirn-Trauma, eine posttraumatische Facialisparese und ein verlangsamtes und herabgesetztes Reaktionsvermögen. Ausweislich einer durchgeführten Computertomographie (CT) des Schädels vom 5. Juni 2008 wurden keine Anhaltspunkte für eine Blutung oder Infarktmarkierung festgestellt. Eine Kontusionsverletzung wurde ebenfalls verneint. Nach dem 18. Juni 2008 befand sich der Kläger bis zum 20. August 2008 im Rahmen einer BGSW in der Fachklinik Bad L. Ausweislich des Abschlussberichts vom 10. Oktober 2008 wurde dringend die Vorstellung in einer neurologischen Akutklinik empfohlen. Vom 2. bis 9. Oktober 2008 befand sich der Kläger in der Klinik für Neurologie in W. in stationärer Behandlung. Dort wurde erneut ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma und eine dissoziative Amnesie diagnostiziert. Ein neurologisches Korrelat hinsichtlich der Symptomatik konnte nicht festgestellt werden. Während des Aufenthalts erfolgte die Durchführung einer MRT-Untersuchung des Schädels am 6. Oktober 2008. Ausweislich der Beurteilung konnten intrakranielle Traumafolgen nicht gesichert werden. Vom 20. bis 27. November 2008 wurde der Kläger stationär in der Klinik für Neurologie J. und ab dem 19. August 2009 psychosomatisch in der Klinik am W. in D. behandelt. Ausweislich des Abschlussberichts der Fachklinik am W. D. bestanden aus ungeklärten Gründen massive Leistungseinbußen auf neuropsychologischem Gebiet. Eine schwere Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit liege vor.

Auf Vorschlag des Klägers beauftragte die Beklagte Herrn Prof. Dr. M. mit der Erstellung eines Zusammenhangsgutachtens. Dieser legte in seinem Gutachten vom 4. Januar 2010 dar, dass der Kläger unter unfallbedingten schweren Gedächtnisstörungen und weiteren kognitiven Defiziten leide. Aggravationstendenzen seien nicht feststellbar. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei dauerhaft mit 100 v. H. zu beziffern. Dieser Einschätzung wiedersprach der Beratungsarzt der Beklagten, der Neurologe Prof. Dr. B., in einer Stellungnahme vom 15. Juli 2010. Der Sachverständige Prof. Dr. M. habe sich nicht wirklich mit dem Kausalzusammenhang auseinandergesetzt. Es fehlten jegliche Ausführungen dazu, dass der Unfall eine Bagatelle gewesen und keine organischen Schäden festgestellt worden seien. Die vom Kläger geklagten Gedächtnisstörungen seien ohne weitere Beeinträchtigungen anderer Funktionen nicht vorstellbar. Vergleichbare Beeinträchtigungen finde man nur bei schwerst hirngeschädigten Menschen, welche dann auch immer über andere Schädigungen - wie Bewegungsstörungen - klagten. Viel wahrscheinlicher sei das Vorliegen einer psychischen Reaktion mit dem Ziel des Erhalts von Versicherungsleistungen. Die MdE sei mit 0 zu beziffern.

Dem folgend erkannte die Beklagte durch Bescheid vom 26. August 2010 das Ereignis vom 5. Juni 2008 sinngemäß als A...

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