Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnung für eine aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kodierung des OPS-Kodes 8-98f für eine aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung setzte bis einschließlich 31.12.2020 ua voraus, dass das Krankenhaus die Voraussetzung einer 24-stündigen Verfügbarkeit kontinuierlicher und (von vornherein als solcher erforderlicher) intermittierender Nierenersatzverfahren "im eigenen Klinikum" im Sinne einer rechtlichen Trägerschaft und damit Verantwortung sowie Möglichkeit der Einflussnahme auf die insoweit tätigen Ärzte erfüllte.
2. Die vom DIMDI mit Wirkung vom 1.1.2021 vorgenommene Änderung des Wortlautes "im eigenen Klinikum" zu "am Standort des Krankenhauses" entfaltet keine Rückwirkung, weil es sich dabei nicht um eine Klarstellung iSv § 301 Abs 2 S 4 SGB V in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung handelt, obwohl eine solche rechtlich zulässig gewesen wäre.
Normenkette
SGB V § 108 Nr. 2, § 109 Abs. 4 Sätze 2-3, § 301 Abs. 2 Sätze 6, 4 a.F.; KHG § 17b Abs. 2 S. 1; KHEntgG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 3; SGG § 54 Abs. 5, § 197a Abs. 1 S. 1; VwGO § 154 Abs. 1; GKG § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 S. 1, § 63 Abs. 2 S. 1
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 7. Juli 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 12.545,42 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin betreibt ein in den Krankenhausplan des Freistaates Thüringen aufgenommenes Krankenhaus, in dem der im Juli 1960 geborene Versicherte der beklagten Krankenkasse vom 21. November 2018 bis 24. Januar 2019 wegen einer bakteriellen Lungenentzündung intensivmedizinisch behandelt wurde. Sie stellte der Beklagten dafür am 22. Februar 2019 insgesamt 95.089,34 € ausgehend von der Pauschale aus der Fallgruppe (German Diagnosis Related Group [DRG]) A09B (Beatmung ≫ 499 Stunden oder ≫ 249 Stunden mit int. Komplexbeh. ≫ 2352 / 1932 / 2208 P., mit angeb. Fehlbild. od. Tumorerkr., Alter ≪ 3 J. oder mit hochkompl. Eingr. mit kompl. OR-Proz. oder int. Komplexbeh. ≫ 1764 / 1932/ - P. und Alter ≪ 16 Jahre) nebst Zuschlägen mit einem Zahlungsziel von 14 Tagen in Rechnung und kodierte dabei nach dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) unter anderem den OPS-Kode 8-98f.51 (Aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung [Basisprozedur], 2485 bis 2760 Aufwandspunkte). Die Beklagte teilte der Klägerin am 11. Juli 2019 elektronisch mit, ihr Krankenhaus erfülle die strukturellen Voraussetzungen für diesen OPS-Kode nicht, weshalb lediglich der OPS-Kode 8-980.51 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung [Basisprozedur]: 2485 bis 2760 Aufwandspunkte) zugrunde gelegt und der sich daraus ergebende Zahlbetrag angewiesen werden könne. Dieser OPS-Kode führt in die DRG A09C (Beatmung ≫ 499 Stunden oder ≫ 249 Stunden mit intensivmedizinischer Komplexbeh. ≫ 2352 / 1932 / 2208 P., mit komplexer OR-Prozedur oder Polytrauma oder int. Komplexbeh. ≫ 1764 / 1656 / 2208 P. oder mit komplizierender Konstellation oder Alter ≪ 16 Jahre) und damit zu einer um 12.545,42 € geringeren Vergütung. Die Beklagte hatte der Klägerin zuvor bereits mit E-Mail vom 13. Juni 2018 mitgeteilt, aufgrund der Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Thüringen e.V. (MDK) könnten die Strukturkriterien für den OPS 8-98f.- nicht anerkannt werden. Im Krankenhaus der Klägerin seien schon seit Jahren keine ICP-Sonden gelegt bzw. revidiert und betroffene Patienten in die nahegelegenen Kliniken mit neurochirurgischer Expertise verlegt worden. Das Mindestmerkmal der „24-stündigen Verfügbarkeit folgender Verfahren im eigenen Klinikum: Intrakranielle Druckmessung oder Hybrid-Operationssaal für kardiovaskuläre Eingriffe“ sei damit nicht erfüllt. Der MDK hatte in seinem Gutachten vom 8. März 2018 zur Strukturprüfung im Krankenhaus der Klägerin am 27. Februar 2018 dieses Mindestmerkmal verneint und zudem ausgeführt, es sei rechtlich zu klären, ob das Mindestmerkmal „24-stündige Verfügbarkeit kontinuierliche und intermittierende Nierenersatzverfahren“ erfüllt ist, da intermittierende Nierenersatzverfahren zwar jederzeit, jedoch lediglich in einer Dialysepraxis in den Räumlichkeiten des Krankenhauses durchgeführt werden können, die rechtlich selbständig ist und auch nicht von der Klägerin getragen wird.
Die Klägerin hat am 8. August 2019 vor dem Sozialgericht Meiningen Klage auf Zahlung des Differenzbetrages nebst Zinsen erhoben. Sie machte zur Begründung geltend, ihr Krankenhaus erfülle sämtliche Mindestmerkmale des verschlüsselten OPS-Kodes, und zwar auch die allein zwischen den Beteiligten streitigen Anforderungen der „24-stündigen Verfügbarkeit kontinuierlicher und intermittierender Nierenersatzverfahren“ sowie der „24-stündigen Verfügbarkeit einer intrakraniellen Druckmessung oder eines Hyb...