Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Streitgegenstand. vorläufige Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. endgültiger Bescheid und Erstattungsbescheid nach Klageerhebung. Vorläufigkeit. Rechtsauslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Leistungsberechtigter gegen einen vorläufigen Bewilligungsbescheid zu Leistungen nach dem SGB 2 Klage erhoben, wird nicht nur der nachfolgende Bescheid, der die Leistungen für denselben Bewilligungsabschnitt endgültig festsetzt, sondern auch der Bescheid, der in dessen Folge die überzahlten Beträge erstattet verlangt, nach § 96 SGG Gegenstand dieses Klageverfahrens.
2. Die Klärung der Frage, in welchem Umfang ein Verwaltungsakt eine vorläufige Regelung iS des § 328 Abs 1 S 1 SGB 3 enthält, erfolgt durch Auslegung des Bescheides im Einzelfall.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 16. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung überzahlter Beträge zu Leistungen nach dem SGB II für den Monat Oktober 2008.
Der 1954 geborene Kläger lebte im streitigen Zeitraum mit seiner 1961 geborenen Ehefrau sowie den 1997 und 1999 geborenen Töchtern in einer 82,66 m² großen Wohnung in der …, E.
Für die Töchter wurde Kindergeld in Höhe von jeweils 154 Euro gezahlt. Die Ehefrau des Klägers bezog kein Einkommen.
Der Kläger war seit dem 2. April 2007 bei der ZGT … mbH beschäftigt. Zudem nahm er zum 15. September 2008 eine Beschäftigung bei der M. G. GmbH auf. Aus beiden Beschäftigungsverhältnissen floss der - monatlich schwankende - Lohn jeweils im Folgemonat zu.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2008 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2008 vorläufig monatlich 1.222,44 Euro. Zur Begründung der Vorläufigkeit verwies der Beklagte auf das monatlich unterschiedlich hohe Einkommen des Klägers aus Nebenerwerb.
Den gegen den Bescheid vom 16. Juni 2008 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 3. September 2008 als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage vom 2. Oktober 2008 wird bei dem Sozialgericht Gotha unter dem Aktenzeichen S 6 AS 4638/08 geführt. Mit Beschluss vom 13. Juni 2013 wurde das Ruhen des Verfahrens - u. a. im Hinblick auf das hiesige Verfahren - angeordnet.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2008 hörte der Beklagte den Kläger zu einer Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem SGB II für den Monat Oktober 2008 in Höhe von 69,44 Euro an. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe Einkommen aus zwei Beschäftigungsverhältnissen erzielt. Ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bestehe daher nur noch in geringerer Höhe (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Der zu Unrecht gezahlte Betrag in Höhe von 69,44 Euro sei zu erstatten (§ 50 SGB X).
Mit Bescheid vom 14. Januar 2009 hob der Beklagte die Bewilligung vom 16. Juni 2008 unter Verweis auf die Ausführungen im Anhörungsschreiben in Höhe von 69,44 Euro auf und forderte zur Erstattung des überzahlten Betrages auf.
Mit Änderungsbescheid vom 6. Februar 2009 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft für den Monat Oktober 2008 1.013,57 Euro. Zur Begründung gab er die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Tochter D. infolge des Merkzeichens G an.
Ebenfalls mit Bescheid vom 6. Februar 2009 korrigierte der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbetrag aus dem Bescheid vom 14. Januar 2009 mit gleichlautender Begründung auf 69,36 Euro.
Am 11. März 2009 hob der Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 14. Januar 2009 in Gestalt des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 6. Februar 2009 auf.
Sodann begehrte der Beklagte mit Bescheid vom 11. März 2009 überzahlte Leistungen nach dem SGB II für den Monat Oktober 2008 bei endgültiger Festsetzung in Höhe von 69,36 Euro erstattet.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 20. März 2009 Widerspruch bei dem Beklagten ein. Zur Begründung gab er an, der Bescheid enthalte kein nachvollziehbares Rechenwerk und sei daher rechtswidrig.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19. Mai 2009 als unbegründet zurück. Er war der Auffassung, der Bedarfsgemeinschaft seien ursprünglich 1.222,44 Euro zuerkannt worden. Aufgrund der mit Änderungsbescheid vom 6. Februar 2009 endgültig festgesetzten Leistungen habe die Bedarfsgemeinschaft unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse lediglich einen Anspruch in Höhe von 1.013,57 Euro. Die individuelle Überzahlung für den Kläger belaufe sich auf 69,36 Euro.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Juni 2009 am 18. Juni 2009 Klage bei dem Sozialgericht Gotha erhoben. Zur Begründung hat er angegeben, das Bundessozialgericht habe mit Beschluss vom 27. Januar 2009 (B 14 AS 5/08 R) dem Bundesverfassungsgericht die Rechtsfrage zur Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung für Kinder zwischen dem 6. und 14. Lebensjahr vorgel...