Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. objektivierte Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Unterbrechung des unmittelbaren Weges. Kauf eines Coffee-to-go. ambulante Pflegekraft
Orientierungssatz
Unterbricht eine im ambulanten Dienst beschäftigte Pflegekraft (Schichtdienst ohne reguläre Pausen) ihren Weg von einer Klientin zu der anderen Klientin, um sich bei der ihr nächst bietenden Gelegenheit einen Coffee-to-go zu kaufen, steht sie auf diesem Weg nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 21. August 2018 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Die 1972 geborene Klägerin war zum Unfallzeitpunkt beim DRK S. als Pflegekraft im ambulanten Dienst beschäftigt. Die regelmäßige Tour dauerte von ca. 06:00 Uhr morgens bis 12:00 Uhr mittags und dann von 16:00 Uhr bis ca. 20:00 Uhr (Teildienst). Reguläre Pausenzeiten während der Vormittags- und Abendschicht sah der Dienstplan nicht vor. Auch am 31. Juli 2015 startete die Klägerin ihre Tour gegen 6:00 Uhr. Bei der ersten Pflege verrichtete sie in G.(1) eine ca. 20 bis 25 Minuten dauernde Grundpflege mit Waschen und Anziehen. Sodann pflegte sie die zweite Klientin in M.. Nach diesen ersten beiden Klienten suchte die Klägerin gegen 7:30 Uhr auf dem Weg zur dritten Klientin in G.(1) (wo eine Insulinbehandlung, ggf. ein Fußbad und Körperpflege und ggf. auch Ankleiden, insgesamt eine ca. 20 minütige Pflege erforderlich gewesen wäre) die nächstmögliche Gelegenheit auf, um einen „Coffee-to-go“ zu erwerben. Diesen wollte sie nach ihrer Arbeit bei der dritten Klientin in einer Fünf-Minuten-Pause und nach dem Abkühlen des Kaffees im Auto auf einem Parkplatz trinken. Hierzu fuhr sie in G.(1) die B.straße hinab auf eine T-Kreuzung zu. Statt an dieser nach links in Richtung der dritten Klientin abzubiegen, bog die Klägerin nach rechts ab. Nach ca. sechs bis acht Metern stoppte sie in einer Parkeinbuchtung vor einer Bäckerei. Noch vor dem Betreten der Bäckerei stolperte und verletzte sie sich und erlitt unter anderem eine Tibiakopffraktur.
Mit Bescheid vom 20. November 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor, wenn sich der Unfall während einer privaten Unterbrechung des versicherten Weges ereignete. Zum Unfallzeitpunkt habe die Klägerin einen Kaffee kaufen wollen. Dies sei eine private Unterbrechung und zähle nicht zum versicherten Bereich.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Es handle sich um keine private Unterbrechung. Den Kaffee habe sie aufgrund der erheblichen arbeitsbedingten körperlichen Anstrengung und der Tatsache, dass sie an einer erheblichen thrombotischen Venenerkrankung leide, kaufen wollen. Deswegen und um den Kreislauf zu stabilisieren sei das Trinken erforderlich gewesen. Nach der dritten Klientin in G.(1) und der vierten Klientin in G.(2) habe es keine Einkaufsmöglichkeiten ohne größere Umwege gegeben.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Zum bisherigen Vortrag hat sie vorgetragen, dass es sich nur um eine geringfügige Abweichung vom ursprünglichen Dienstweg gehandelt habe und hierfür zudem arbeitsbedingte Gründe vorgelegen hätten. Zudem ergebe sich aufgrund der besonderen Eile die sie habe walten lassen, um beim nächsten Klienten zu sein, eine besondere betriebliche Gefahr.
Mit Urteil vom 21. August 2018 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Als sich der Unfall ereignet habe, habe sich die Klägerin nicht bei einer Verrichtung, die in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand, befunden. Die Abweichung vom Betriebsweg zum Aufsuchen der Bäckerei sei keine räumliche und zeitliche unerheblich private Verrichtung. Der zum Erwerb eines Kaffees eingenommene Abweg sei eine eigenständige Handlung und habe den Versicherungsschutz unterbrochen. Von einer unerheblichen kurzen Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit könne nicht ausgegangen werden.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Konkretisierend führt sie aus, dass sich die Pflege der zweiten Klientin - wie regelmäßig - aufwändiger gestaltet habe. Die Klientin sei groß und schwergewichtig und mache nicht selber aktiv mit, so dass die Hilfe von Angehörigen erforderlich sei. Zudem sei es in der Wohnung immer sehr warm. Frischer Sauerstoff sei erst nach dem Eintreffen der Klägerin und dem durch sie vorgenommenen Lüften vorhanden. Nach den ersten beiden Klienten habe sie Flüssigkeit gebraucht. Sie habe sich wegen der vorangegangenen Tätigkeit erschöpft gefühlt und ihr sei schwindlig gewesen; zudem habe sie ihren Durst löschen wollen. Außerdem leide sie an einer thrombotischen Ven...