Entscheidungsstichwort (Thema)

Erforderliche Qualifikation eines Sachverständigen zur Beurteilung einer somatoformen Schmerzstörung

 

Orientierungssatz

1. Macht der Versicherte zur Begründung der von ihm geltend gemachten Erwerbsminderung das Bestehen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mit einer quantitativen Einschränkung seines Leistungsvermögens geltend, so ist zur Beurteilung des Leistungsvermögens durch einen Sachverständigen dessen Qualifikation als Neuropsychologe nicht erforderlich.

2. Erforderlich sind vielmehr die fachübergreifenden Kenntnisse und Erfahrungen eines Gutachters für die Diagnostik und Beurteilung von Schmerzstörungen. Besitzt der Sachverständige u. a. die Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie", so ist er aufgrund einer solchen Qualifikation in der Lage, eine nachvollziehbare Validisierung der vom Versicherten vorgetragenen Schmerzen nach aktuellem wissenschaftlichem Erkenntnisstand durchzuführen.

3. Bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten bedarf es keiner Benennung einer Verweisungstätigkeit.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 2. März 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der 1968 geborene Kläger arbeitete nach seiner Ausbildung zum Zerspanungsfacharbeiter, bis Dezember 1991 als Gütekontrolleur und seit 4. Mai 1992 als Monteur. Beim letzten Arbeitgeber erlitt er am 8. September 1997 einen Arbeitsunfall mit einer Lendenwirbelkörper 1(LWK 1-)-Fraktur, die operativ versorgt wurde. Seitdem war er arbeitsunfähig erkrankt.

Erstmals im Jahr 1998 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Nach Ablehnung des Antrags erhob er beim Sozialgericht (SG) Nordhausen Klage (Az.: S 4 RJ 827/99), die diese mit Urteil vom 20. Juni 2000 abwies. Im Berufungsverfahren (Az.: L 2 RJ 374/00) holte das Thüringer Landessozialgericht u.a. ein psychiatrisches Gutachten der Dr. M. vom 6. Juni 2002 ein (Diagnosen: anhaltende somatoforme Schmerzstörung F 45.5, Schweregrad: schwer, Leistungsbild: allenfalls leichte Arbeiten maximal drei Stunden täglich). Die Beteiligten einigten sich in einem außergerichtlichen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte dem Kläger ab 1. Dezember 2001 bis 30. November 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung zahlte und der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärte.

Im August 2004 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte u.a. ein neuropsychiatrisches Gutachten des Dr. B. vom 11. Oktober 2004 (Diagnosen: degenerative Lendenwirbelsäulen- und Bandscheibenveränderungen, abhängige, selbstunsichere Persönlichkeit mit depressivem Reaktions- und Verhaltensstil; Leistungsbild: leichte körperliche Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich möglich). Mit Bescheid vom 3. November 2004 lehnte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. März 2005).

Auf die Klageerhebung hat das SG u.a. diverse Befundberichte mit entsprechenden medizinischen Anlagen beigezogen sowie ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten der Dr. K. vom 5. April 2006 (Diagnosen: keine neurologischen oder psychischen Krankheiten, keine Funktionseinschränkungen aus neurologischer oder psychiatrischer Sicht; Leistungsbild: leichte bis mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen möglich) und eine ergänzende Stellungnahme vom 21. November 2006 eingeholt, sowie ein psychiatrisch-psychosomatisches Gutachten des Dr. B. vom 20. Juni 2007 (Diagnosen: Dysthymia mit Somatisierungsstörung (Kopfschmerzen, Spannungskopfschmerzen, Ein- und Durchschlafstörungen), chronische Schmerzstörung sowohl mit organischen Erklärungsfaktoren als auch psychogener Überlagerung, Verbitterungsstörung, mittelschwere bewegungs- und belastungsabhängige Funktionseinschränkungen der oberen und unteren Lendenwirbelsäule bei Zustand nach LWK 1-Fraktur mit operativer Spondylodese und Bandscheibenprotrusion L4/5 und L5/S1 bei degenerativen Veränderungen, leichtes neurologisch-sensorisches Defizit, leichtgradige bewegungs- und belastungsabhängige Schmerzen des rechten Kniegelenkes bei Zustand nach Patella-Fraktur mit mäßiggradiger Chondromalazie; Leistungsbild: leichte Arbeiten mit Einschränkungen sechs Stunden und mehr) und auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Gutachten des Dr. M. vom 13. August 2008 (Diagnosen: chronische Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen nach LWK 1-Fraktur; Leistungsbild: leichte Tätigkeiten maximal sechs Stunden täglich, Notwendigkeit der Einlegung von Pausen alle zwei Stunden) und eine ergänzende Stellungnahme vom 12. September 2008 (Leistungsbild: leichte Tätigkeiten drei bis unter sechs Stunden täglich) eingeholt.

Mit Urteil vom 2. März 2009 hat das SG die B...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?