Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Fallpauschalenvergütung. Kodierfähigkeit der Nebendiagnose T88.4 ICD-10-GM bei unerwarteter fiberoptischer Intubation

 

Orientierungssatz

Zur Kodierfähigkeit der Nebendiagnose T88.4 ICD-10-GM (sonstige Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht qualifiziert; misslungene oder schwierige Intubation) bei unerwarteter fiberoptischer Intubation.

 

Normenkette

SGB V § 108 Nr. 2, § 39 Abs. 1 S. 2, § 109 Abs. 1 S. 2; KHG § 17b Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; KHEntgG § 7 Abs. 1 Sätze 1-2, § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2; SGG § 160 Abs. 2

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 28. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 2.836,11 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Krankenhausvergütungsanspruch streitig.

Die Klägerin ist die Trägerin eines nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses. Der bei der Beklagten versicherte Patient, der am …1944 geborene …, befand sich dort in der Zeit vom 22. bis 29. Juni 2007 in der Neurologie und vom 4. bis 10. Juli 2007 in der Neurochirurgie wegen eines Bandscheibenvorfalls zwischen dem dritten und vierten Halswirbelkörper in stationärer Behandlung. Im neurologischen Aufnahmebefund wurde eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Halses, ataktische Gangstörungen und Paresen der oberen Extremitäten dokumentiert. Nach dem MRT-Befund sowie klinischer und elektrophysiologischer Untersuchungen wurde eine Schädigung des Rückenmarks in Folge einer knöchernen Einengung des Spinalkanals und des Bandscheibenvorfalls festgestellt. Am 6. Juli 2009 erfolgte die operative Versorgung (vollständige vektrale Diskektomie HWK 3/4, Abtragung raumfordernder Osteochondrosen, Fusion mit Titancage) in Allgemeinanästhesie. Zur Sicherung der Atemwege wurde der Patient dazu fiberoptisch intubiert.

Mit Rechnung vom 22. Juli 2007 stellte die Klägerin der Beklagten Behandlungskosten in Höhe von 11.205,05 € in Rechnung. Die Abrechnung erfolgte auf der Grundlage der DRG-Kodierung I09A (Wirbelkörperfusion mit äußerst schweren CC ohne andere Kyphoplastie) mit der Hauptdiagnose M50.0 (Zervikaler Bandscheibenschaden mit Myelopathie). Als erlöswirksame Nebendiagnose verschlüsselte sie die G82.43 (Spastische Tetraparese und Tetraplegie: Chronische inkomplette Querschnittslähmung) sowie die T88.4 (sonstige Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, anderenorts nicht qualifiziert; misslungene oder schwierige Intubation).

Nachdem die Beklagte zunächst den gesamten Rechnungsbetrag zum Ausgleich gebracht hatte, rechnete sie am 5. Dezember 2007 mit einem Betrag in Höhe von 2.836,11 € gegen einen unstreitigen Vergütungsanspruch der Klägerin aus einem späteren Behandlungsfall auf. Sie stützte sich dabei auf zwei Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 26. November 2007 und vom 1. April 2008. DM B. vom SMD kam dort zu dem Ergebnis, dass die Abrechnung der Nebendiagnose T88.4 anhand der Behandlungsunterlagen nicht nachvollziehbar sei. Im Rahmen der Prämedikationsvisite sei dokumentiert, dass eine Intubationsnarkose mit Woodbridge Tubus geplant gewesen ist. Im Anästhesieprotokoll vom 6. Juli 2007 wird dann nach Narkoseeinleitung eine fiberoptische Intubation ohne Reklination vermerkt. Für eine Komplikation ergäbe sich im Protokoll kein Anhalt. Insbesondere sei lediglich ein einziger Intubationsversuch dokumentiert. Eine geplante primäre fiberoptisch unterstützte Intubation sei nicht als Komplikation zu kodieren. Die Nebendiagnose T88.4 sei daher ersatzlos zu streichen. Hiernach komme die Fallpauschale DRG 109B (Wirbelkörperfusion mit äußerst schweren CC mit anderer Kyphoplastie oder mit schweren CC ohne andere Kyphoplastie oder mit komplexer Kyphoplastie) zur Abrechnung.

Die Klägerin hat am 25. November 2008 Klage zum Sozialgericht Meiningen (SG) erhoben und die Auffassung vertreten, dass eine Kodierung der Nebendiagnose T88.4 gerechtfertigt sei. Ausweislich der Kodierrichtlinie D003 sei die Verschlüsselung einer Nebendiagnose immer dann möglich, wenn im Zusammenhang damit therapeutische Maßnahmen, diagnostische Maßnahmen oder ein erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand erforderlich gewesen sei. Ein derartig erhöhter therapeutischer Aufwand sei im vorliegenden Fall aufgrund der notwendig gewordenen fiberoptischen Intubation angefallen. Diese zusätzlich erforderliche therapeutische Maßnahme sei auch korrekt mit dem Diagnoseschlüssel T88.4 abgebildet worden. Dieser laute ausweislich der ICD-10-GM "misslungene oder schwierige Intubation". Damit werde deutlich, dass entweder im Rahmen der Intubation eine Komplikation auftreten müsse oder die Intubation aufgrund der Art und Weise, wie sie durchgeführt worden ist, besonders schwierig gewesen sei. Im Rahmen besonders schwieriger Intubati...

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