Gesetzestext
Jedem Mitgliedstaat steht es frei, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Postdienste per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg zustellen zu lassen.
A. Bedeutung und Verhältnis zu anderen Zustellungsformen.
Rn 1
Die direkte Zustellung per Post ist nunmehr in alle Mitgliedstaaten unterschiedslos zulässig, was für die Praxis einen großen Fortschritt darstellt. Alle Zustellungsarten der EuZVO sind gleichwertig (EuGH NJW 06, 975, 976). Ob das Gericht gem Art 4 ff oder gem.Art 14 zustellt, entscheidet es nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl BGH NJW 03, 2803); dabei ist die Postzustellung weder subsidiär noch im Regelfall vorrangig (so aber Gebauer/Wiedmann/Sujecki Rz 6), da die praktische Erfahrung zeigt, dass der Rückschein häufig nicht oder nicht ausgefüllt zurückgesandt wird. Eine Anregung des Antragstellers wird iRd Ermessensausübung zu berücksichtigen sein. Gerade in eiligen Fällen kann es sinnvoll sein, mehrere Zustellungsformen kumulativ zu wählen (ebenso Rauscher/Heiderhoff Rz 2); dann ist die zuerst erfolgreiche maßgebend (EuGH aaO).
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Vorschrift gilt nur für Zustellungen durch Übermittlungsstellen iSd Art 2, nicht für die Zustellung im Parteibetrieb gem Art 15 (MüKoZPO/Rauscher § 1068 Rz 9; Zö/Geimer Rz 4). Für die Anwendbarkeit des Art 14 ist daher entscheidend, ob der ausländische Absender in seinem Staat als Übermittlungsstelle iSd Art 2 benannt ist, wie zB in Schottland die accredited solicitors.
C. Belehrung und Übersetzungserfordernisse.
Rn 3
Wegen Art 8 IV gelten auch hier die Regeln des Art 8 I–III. Gerade bei Postzustellungen ist besonders darauf zu achten, dass die Belehrung gem Anhang II beigefügt wird.
D. Rückschein oder gleichwertiger Beleg.
Rn 4
Die Zustellung wird durch den vom Empfänger oder dessen Vertreter unterschriebenen Rückschein nachgewiesen. Auch die Unterschrift eines erwachsenen Familienangehörigen oder Beschäftigten reicht idR aus (EuGH 2.3.17 – C-354/15).
Rn 5
Ein gleichwertiger Beleg ist ein solcher, aus dem der tatsächliche Empfang des Schriftstücks hervorgeht, zumindest aber diesbezüglich ›gleichwertige Garantien in Bezug auf Informationen und Beweise bietet‹ (EuGH 2.3.17 – C-354/15 Rz 99) Daher reicht ein Postvermerk über die bloße Möglichkeit zur Abholung der Sendung nicht aus (Stuttg 31.3.10 – 5 W 62/09; aA Zö/Geimer Rz 3; LG Trier NJW-RR 03, 287). Insofern kommt es auch nicht auf das Recht im Empfangsstaat an (so aber van Wijngaarden-Maack IPRax 04, 212, 214 [LG Trier 17.10.2002 - 7 HKO 140/01] zur EuZVO aF). Vielmehr muss Art 14 autonom ausgelegt werden: Da Art 8 I zur Belehrung des Empfängers über seine Rechte verpflichtet, ist ein tatsächlicher Zugang des Schriftstücks erforderlich. Hätte der Verordnungsgeber auch die Nichtabholung als Zustellung einstufen wollen, so hätte er dies wie in Art 14 Id EuVTVO regeln können, einschließlich der dort verwendeten Voraussetzungen (insb Hinweis auf gerichtlichen oder fristbezogenen Charakter der Sendung). Die Nichtabholung von Sendungen ist auch nicht generell treuwidrig, sondern allenfalls nach Empfang eines Hinweises mit dem Inhalt des Art 14 Id EuVTVO (Stuttg 31.3.10 – 5 W 62/09).