Gesetzestext
(1) Die Empfangsstelle setzt den Empfänger unter Verwendung des Formblatts in Anhang II davon in Kenntnis, dass er die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks bei der Zustellung verweigern oder das Schriftstück der Empfangsstelle binnen einer Woche zurücksenden darf, wenn das Schriftstück nicht in einer der folgenden Sprachen abgefasst oder keine Übersetzung in einer der folgenden Sprachen beigefügt ist:
a) |
einer Sprache, die der Empfänger versteht, |
oder
b) |
der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder, wenn es im Empfangsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll. |
(2) Wird der Empfangsstelle mitgeteilt, dass der Empfänger die Annahme des Schriftstücks gemäß Absatz 1 verweigert hat, so setzt sie die Übermittlungsstelle unter Verwendung der Bescheinigung nach Artikel 10 unverzüglich davon in Kenntnis und sendet den Antrag sowie die Schriftstücke, um deren Übersetzung ersucht wird, zurück.
(3) Hat der Empfänger die Annahme des Schriftstücks gemäß Absatz 1 verweigert, kann die Zustellung dadurch bewirkt werden, dass dem Empfänger im Einklang mit dieser Verordnung das Dokument zusammen mit einer Übersetzung des Schriftstücks in eine der in Absatz 1 vorgesehenen Sprachen zugestellt wird. In diesem Fall ist das Datum der Zustellung des Schriftstücks das Datum, an dem die Zustellung des Dokuments zusammen mit der Übersetzung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats bewirkt wird. Muss jedoch nach dem Recht eines Mitgliedstaats ein Schriftstück innerhalb einer bestimmten Frist zugestellt werden, so ist im Verhältnis zum Antragsteller als Datum der Zustellung der nach Artikel 9 Absatz 2 ermittelte Tag maßgeblich, an dem das erste Schriftstück zugestellt worden ist.
(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten auch für die Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Schriftstücke nach Abschnitt 2.
(5) Für die Zwecke von Absatz 1 gilt Folgendes: Erfolgt die Zustellung gem Artikel 13 durch diplomatische oder konsularische Vertretungen bzw. gem Artikel 14 durch eine Behörde oder Person, so setzen die diplomatischen oder konsularischen Vertretungen bzw. die zustellende Behörde oder Person den Empfänger davon in Kenntnis, dass er die Annahme des Schriftstücks verweigern darf und dass Schriftstücke, deren Annahme verweigert wurden, diesen Vertretungen bzw. dieser Behörde oder Person zu übermitteln sind.
A. Sprachenproblematik im europäischen Justizraum.
Rn 1
Der Grundsatz des fair trial erfordert, dass der Zustellungsempfänger den Inhalt des zugestellten gerichtlichen Schriftstücks auch verstehen kann. Im nationalen Rahmen wird dies meist dadurch gelöst, dass eine Amts- oder Gerichtssprache bestimmt wird, deren Kenntnis allen Beteiligten zugemutet wird, vgl § 184 GVG. Da die EU keine einheitliche Amtssprache hat, war dieser Weg in der EuZVO nicht gangbar. Vielmehr akzeptiert die EU alle Amtssprachen der Mitgliedstaaten. Daher wäre es nur konsequent gewesen, bei einer Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat grds die Übersetzung der zuzustellenden Schriftstücke in die dortige Amtssprache zu verlangen. Das tut die EuZVO aber nicht, sondern sie überlässt dem Empfänger die Entscheidung, ob er die Zustellung eines nicht in den in Abs 1 lit a und b abgefassten Schriftstücks gegen sich gelten lassen will (s.o. Art 5 Rn 1).
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Gem Abs 4, 5 gelten die Abs 1 bis 3 auch für Zustellungen nach Art 12 ff, insb für die direkte Postzustellung gerichtlicher Schriftstücke (Art 14). Wird gem Art 14 unmittelbar zugestellt, so obliegt die Belehrungspflicht gem Abs 5 der Übermittlungsstelle. Für die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke (Art 16) gelten die Übersetzungsregeln nicht, da insoweit auch kein fair trial zu wahren ist. Für eine Zustellung im Inland gilt die EuZVO ohnehin nicht, so dass hier auch gegenüber einem Ausländer keine Übersetzung erforderlich ist (LG Hamburg RdTW 2013. 288).
C. Recht zur Verweigerung der Annahme.
I. Belehrung.
Rn 3
Der Empfänger des gerichtlichen Schriftstücks ist zwingend mittels Formblatt gem Anhang II der EuZVO über sein Annahmeverweigerungsrecht zu informieren (EuGH EuZW 18, 1001, 1003 mwN). Für das Formblatt ist die Amtssprache des Empfangsstaats oder eine sonstige vom Empfangsstaat zugelassene Sprache zu wählen (analog Art 4 III). Fehlt die Belehrung oder ist sie nicht in der richtigen Sprache abgefasst, so wird nach dem Zweck der Vorschrift die in Abs 1 genannte Wochenfrist auch nicht in Lauf gesetzt, sodass – vorbehaltlich des Einwands der Verwirkung – die Verweigerung auch später noch geltend gemacht werden kann. Eine nachträgliche Belehrung mit dem Formblatt kann diesen Fehler wie im Falle des Abs 3 ex nunc heilen (EuGH 16.9.15 – C-519/13, dazu Mankowski EuZW 15, 832). Bloßer Zeitablauf heilt die fehlende Belehrung nicht (EuGH 2.3.17 – C-354/15 Rz 67f).
II. Zugelassene Sprachen.
Rn 4
Das zuzustellende Schriftstück kann in die Amtssprache des Empfangsstaats übersetzt werden (Abs 1 lit b).
Rn 5
Ist das zuzustellende Schriftstück nicht in einer Amtssprache des Empfangsstaats abgefasst, so kann der Empfänger die Annahme nur verweigern, wenn er die Spr...