Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 3
Dieser Tatbestand beruht seinem Zweck nach teils auf der Beweis- und Vollstreckungsnähe dieses Gerichtsstands. Bei der Immobilienmiete und -pacht soll die richtige Anwendung des örtlich maßgebenden Rechts gesichert sein (EuGH Slg 77, 2383 Rz 10; Slg 90, I-27 Rz 10), ohne dass es auf die Erreichung dieser Zwecke im Einzelfall ankommt. Ausschlaggebend ist, dass die Klage auf ein in der Nr 1 erwähntes Recht gestützt wird; es reicht hingegen nicht aus, wenn die Klage mit einem solchen Recht nur im Zusammenhang steht (EuGH Slg 94, I-1717 Rz 14).
Rn 4
Das Merkmal ›dingliche Rechte‹ erfasst nur Klagen, die darauf gerichtet sind, Umfang und Bestand des Eigentums oder anderer Rechte an der Sache zu klären. Prägend ist auch bei einer autonomen Auslegung, dass es sich um Rechte handelt, die gegen jeden Dritten wirken (EuGH Slg 94, I-1717 Rz 16; Slg 01, I-2771 Rz 17). Das umfasst etwa Klagen eines Miteigentümers auf Auflösung der Gemeinschaft (EuGH C-605/14) oder den Anspruch des Eigentümers auf Grundbuchberichtigung (EuGH C-417/15). Auch andere dingliche Rechte als das Eigentum fallen darunter, etwa Klagen aus dinglichen Sicherungsrechten (BGH ZIP 14, 342 Rz 15: Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Grundschuld) oder aus einem dinglichen Vorkaufsrecht (EuGH C-438/12; einschließlich des Inhalts seiner Ausübung, s BGH NJW 15, 2734 [BGH 19.03.2015 - V ZB 158/14]). Bei Klagen aus einer Teilungserklärung kommt es darauf an, ob es um Rechte geht, die nicht nur gegenüber den anderen Wohnungseigentümern, sondern gegen jeden Dritten wirken (EuGH 11.11.20 – C-433/19 = ECLI: EU:C:2020:900). Nicht erfasst werden Verfahren, in denen Umfang und Bestand des dinglichen Rechts nur inzident oder präjudiziell von Bedeutung sind. Das schließt etwa Klagen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift aus, mit denen Schadensersatz oder Unterlassung wegen der Verletzung eines derartigen Rechts geltend gemacht wird (BGH NJW 08, 3502 [BGH 18.07.2008 - V ZR 11/08]), auch wenn es sich um eine sachenrechtliche Immissionsabwehrklage handelt (EuGH Slg 06, I-4557). Dasselbe gilt für Klagen, denen ein schuldrechtliches Forderungsrecht, etwa aus Kaufvertrag, in Bezug auf die Sache oder deren Nutzung (einschließlich hieraus resultierender Schadensersatz- oder Ausgleichsansprüche) zugrunde liegt (EuGH Slg 90, I-27; Slg 94, I-1717; Slg 94, I-2535 C827/18; C-417/15: nichtige Grundstücksschenkung). Das gilt auch dann, wenn das maßgebende nationale Sachenrecht nicht dem Trennungs- oder Abstraktionsprinzip folgt, so dass sich eine Entscheidung über das Bestehen des Kaufvertrags auch auf die dingliche Rechtslage auswirkt (EuGH Slg 01, I-2771). Nicht ausreichend ist, dass für die eingeklagte Forderung eine dingliche Sicherung an einem Grundstück besteht (EuGH C722/17). Auch die Klage auf Feststellung, dass der Beklagte einen bestimmten Gegenstand nur als Trustee hält und der Kl ›legal owner‹ ist, wird nicht erfasst (EuGH Slg 94, I-1717), ebensowenig ein Verfahren, das auf gerichtliche Genehmigung der Veräußerung einer Liegenschaft eines nicht voll Geschäftsfähigen zielt (EuGH C-386/12).
Rn 5
Nr 1 gilt ferner für Streitigkeiten aus Miete und Pacht. Das umfasst insb Fälle, in denen über die Auslegung, die Dauer oder den Bestand eines Mietvertrags, über Zahlungsforderungen aus dem Mietvertrag (Mietzins, Nebenkosten oder Schadensersatz) oder über die Räumung und Herausgabe der Mietsache gestritten wird (EuGH Slg 77, 2383 Rz 12; Slg 85, 99). Die Vorschrift ist mithin auch anwendbar, wenn über die Wirksamkeit des Miet- oder Pachtvertrags gestritten wird (EuGH Slg 97, I-3767 Rz 30). Ohne Belang ist (außerhalb von UnterAbs 2) die Dauer des Mietverhältnisses oder die Frage, ob der Vermieter auch der Eigentümer ist (EuGH Slg 00, I-393). Ebenso wird deshalb die kurzfristige Ferienhausmiete grds, dh außerhalb der Ausnahme in UnterAbs 2, erfasst (EuGH Slg 85, 99). Dass ein Reiseveranstalter als Vermieter auftritt, ist gleichgültig, solange sich die Hauptleistung auf die Vermietung beschränkt (EuGH Slg 00, I-393). Die Vorschrift ist aber nicht über ihren Zweck hinaus auszudehnen. Das betrifft insb Typenmischungs- oder -kombinationsverträge. Unabhängig von der dogmatischen Einordnung oder Ausgestaltung im nationalen Recht gilt hierfür: Fälle, in denen die Überlassung unbeweglicher Sachen nicht im Vordergrund steht, fallen nicht unter Nr 1 (EuGH Slg 77, 2383 = ECLI:EU:C:1977:208: Verpachtung eines nicht dem Verpächter gehörenden Ladengeschäfts; EuGH Slg 85, 99: Ersatz für entgangene Urlaubsfreude aus Ferienhausmiete; EuGH Slg 92, I-1111: Vertrag mit Reiseveranstalter über Ferienhausreservierung und weitere Leistungen, ebenso BGH NJW 13, 308 [BGH 23.10.2012 - X ZR 157/11] [sehr weitgehend]; EuGH Slg 05, I-8667: vertragliches Timesharing-Modell ohne Nutzungsrecht an bestimmter Immobilie; BGH NJW-RR 2010, 712 [BGH 16.12.2009 - VIII ZR 119/08]: vereinsrechtlich organisiertes Timesharing mit prägenden Elementen außerhalb der Objektüberlassung; EuGH Slg 94, I-2535: geset...