Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Zusammenfassung
Art. 24 Brüssel Ia-VO0 Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien sind folgende Gerichte eines Mitgliedstaats ausschließlich zuständig:
1. |
für Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. Jedoch sind für Verfahren betreffend die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum vorübergehenden privaten Gebrauch für höchstens sechs aufeinander folgende Monate auch die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, sofern es sich bei dem Mieter oder Pächter um eine natürliche Person handelt und der Eigentümer sowie der Mieter oder Pächter ihren Wohnsitz in demselben Mitgliedstaat haben; |
2. |
für Verfahren, welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft oder juristische Person ihren Sitz hat. Bei der Entscheidung darüber, wo der Sitz sich befindet, wendet das Gericht die Vorschriften seines Internationalen Privatrechts an; |
3. |
für Verfahren, welche die Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Register geführt werden; |
4. |
für Verfahren, welche die Eintragung oder die Gültigkeit von Patenten, Marken, Mustern und Modellen sowie ähnlicher Rechte, die einer Hinterlegung oder Registrierung bedürfen, zum Gegenstand haben, unabhängig davon, ob die Frage im Wege der Klage oder der Einrede aufgeworfen wird, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Hinterlegung oder Registrierung beantragt oder vorgenommen worden ist oder aufgrund eines Unionsrechtsakts oder eines zwischenstaatlichen Übereinkommens als vorgenommen gilt. Unbeschadet der Zuständigkeit des Europäischen Patentamts nach dem am 5. Oktober 1973 in München unterzeichneten Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente sind die Gerichte eines jeden Mitgliedstaats für alle Verfahren ausschließlich zuständig, welche die Erteilung oder die Gültigkeit eines europäischen Patents zum Gegenstand haben, das für diesen Mitgliedstaat erteilt wurde; |
5. |
für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist. |
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift hat weitreichende Wirkungen. Sie begründet die Zuständigkeit an einem Ort, an dem möglicherweise keine der Parteien ihren Wohnsitz hat. Sie schließt Gerichtsstandsvereinbarungen aus. Im Zweifel ist daher eine eher zurückhaltende (enge) Auslegung angezeigt (EuGH Slg 77, 2383 Rz 17; Slg 90, I-27 Rz 9; C-144/10 Rz 30f).
Rn 2
Für die räumlich-territoriale Anwendbarkeit der Vorschrift ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass ein Auslandssachverhalt sowie der in den einzelnen Tatbeständen verlangte Bezug zu einem Mitgliedstaat vorliegt; ein weiterer Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat ist nicht notwendig (EuGH Slg 05, I-1383). Die Vorschrift setzt deshalb auch keinen Wohnsitz des Beklagten in einem Mitgliedstaat voraus (EuGH Slg 00, I-5925 Rz 51; Jenard-Bericht BTDrs VI/1973, 79; aA – unzutreffend – engl Court of Appeal in Choudhary v Bhatter [2009] EWCA Civ 1176).
B. Unbewegliche Sachen (Nr 1).
Rn 3
Dieser Tatbestand beruht seinem Zweck nach teils auf der Beweis- und Vollstreckungsnähe dieses Gerichtsstands. Bei der Immobilienmiete und -pacht soll die richtige Anwendung des örtlich maßgebenden Rechts gesichert sein (EuGH Slg 77, 2383 Rz 10; Slg 90, I-27 Rz 10), ohne dass es auf die Erreichung dieser Zwecke im Einzelfall ankommt. Ausschlaggebend ist, dass die Klage auf ein in der Nr 1 erwähntes Recht gestützt wird; es reicht hingegen nicht aus, wenn die Klage mit einem solchen Recht nur im Zusammenhang steht (EuGH Slg 94, I-1717 Rz 14).
Rn 4
Das Merkmal ›dingliche Rechte‹ erfasst nur Klagen, die darauf gerichtet sind, Umfang und Bestand des Eigentums oder anderer Rechte an der Sache zu klären. Prägend ist auch bei einer autonomen Auslegung, dass es sich um Rechte handelt, die gegen jeden Dritten wirken (EuGH Slg 94, I-1717 Rz 16; Slg 01, I-2771 Rz 17). Das umfasst etwa Klagen eines Miteigentümers auf Auflösung der Gemeinschaft (EuGH C-605/14) oder den Anspruch des Eigentümers auf Grundbuchberichtigung (EuGH C-417/15). Auch andere dingliche Rechte als das Eigentum fallen darunter, etwa Klagen aus dinglichen Sicherungsrechten (BGH ZIP 14, 342 Rz 15: Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus einer Grundschuld) oder aus einem dinglichen Vorkaufsrecht (EuGH C-438/12; einschließlich des Inhalts seiner Ausübung, s BGH NJW 15, 2734 [BGH 19.03.2015 - V ZB 158/14]). Bei Klagen aus einer Teilungserklärung kommt es darauf an, ob es um Rechte geht, die nicht nur gegenüber den anderen Wohnungseigentümern, sondern gegen jeden Dritten...