Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
Rn 11
Art 25 regelt zwar dem Wortlaut nach nur die Form von Gerichtsstandsvereinbarungen. Nach seinem Zweck (Rn 5) regelt die Vorschrift aber indirekt zugleich Mindestanforderungen an die Bemerkbarkeit des Konsenses. Insofern legt die Vorschrift ein europäisch-autonomes Konzept von Gerichtsstandsvereinbarungen zugrunde (EuGH C-543/10 Rz 21), das insbesondere eine reale Willenseinigung der Parteien voraussetzt (EuGH C-543/10 Rz 21). Daran fehlt es etwa, wenn der Hersteller die mit seinem Abnehmer getroffene Gerichtsstandsabrede auch weiteren Abnehmern in der Lieferkette entgegenhalten will, selbst wenn diesen nach nationalem Recht aufgrund des Vertrags eine action directe gegen den Hersteller zusteht (EuGH C-543/10). Sind diese Erfordernisse gewahrt, ist es jedoch eine Frage des anwendbaren nationalen Rechts, ob die für eine Gerichtsstandsvereinbarung erforderliche Willensübereinstimmung vorliegt. Dieses bestimmt daher die Einzelheiten des Zustandekommens und der Wirksamkeit des erforderlichen Konsenses (EuGH Slg 86, 3337). Das auf die Gerichtsstandsvereinbarung anwendbare Recht ist nach dem IPR des Forums zu bestimmen; es kann sich aus einer gesetzlichen Anknüpfungsregel oder einer Rechtswahl der Parteien ergeben. Die am 10.1.15 in Kraft getreten Reform verweist zwar auf die lex fori; das ist jedoch richtigerweise als Gesamtverweisung auf das Recht des Forums unter Einschluss seines IPR zu deuten, so dass auch eine Rück- oder Weiterverweisung möglich sind (Domej RabelsZ 78 [14], 509, 524; Pfeiffer ZZP 127 [14], 409, 417; Weller GPR 12, 328, 331). Dies wird in der 20. Begründungserwägung ausdrücklich angesprochen und folgt daraus, dass sich die Lösung der VO am Haager Gerichtsstandsübereinkommen orientiert (Kommisionsvorschlag v. 14.12.10, KOM[1020] 748 endg, Ziff. 3.1.5) und deren Art 5 und 6 eine solche Gesamtverweisung vorsehen (Hartley/Dogauchi-Bericht Rz 3, 125 und 149 Fn 184). Ansonsten hätte der Wortlaut ›nach dem innerstaatlichen Recht dieses MS‹ lauten müssen. Das IPR des Forums bestimmt damit auch, inwieweit es auf seine prozessuale lex fori oder auf das Vertragsstatut ankommt (Pfeiffer ZZP 127 [14], 409, 417; Simotta IJPL 13, 68). Falls die Parteien nichts anderes vereinbart haben, wird man in aller Regel davon ausgehen können, dass das auf den Hauptvertrag anwendbare Recht auch für eine Gerichtsstandsvereinbarung gelten soll, die für diesen Vertrag abgeschlossen wurde. Dieses Gerichtsstandsvereinbarungsstatut bestimmt (im Rahmen der Mindesterfordernisse aus Art 25): über das Vorliegen wirksamer Erklärungen beider Seiten; über das Vorliegen einer Übereinstimmung, also den Konsens (EuGH Slg 92, I-1745 Rz 21), was richtigerweise auch die Rechtsfolgen von Willensmängeln (insbesondere eine Anfechtbarkeit) einschließt; über die Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung (hiervon ausgehend EuGH Slg 92, I-1745 Rz 33 mit Rz 21); über eine ausdrückliche oder stillschweigende Verlängerung (EuGH Slg 86, 3337) oder Erstreckung auf weitere oder spätere Verträge; über einen Beitritt Dritter zu der Vereinbarung oder eine anderweitige Erstreckung auf Dritte (EuGH Slg 83, 2503; Slg 00, I-9337 Rz 24). Im letztgenannten Fall sieht Art 25 selbst keine Erstreckung der Vereinbarung auf Dritte vor, sondern stellt darauf ab, ob der Dritte nach dem maßgebenden nationalen Recht in alle Rechte und Pflichten der Partei eintritt (EuGH 18.11.20 – C-519/19 = ECLI:EU:C:2020:933 Rz 47). Soweit in diesem Rahmen gesondert anzuknüpfende Teilfragen zu beantworten sind, bestimmen diese sich nach dem für sie maßgebenden Recht, zB Fragen der Geschäftsfähigkeit, der Stellvertretung (BGH NJW 15, 2584 [BGH 25.03.2015 - VIII ZR 125/14] Rz 49), des Gesellschaftsstatuts (insb bzgl Rechtsfähigkeit und organschaftlicher Vertretung) oder der Rechtsnachfolge (Erbstatut oder Gesellschaftsstatut). Bei der Anwendung des nationalen Rechts darf weder die praktische Wirksamkeit der Formerfordernisse noch die praktische Wirksamkeit der Pro- und Derogationsbefugnis der Parteien beseitigt werden.
Rn 12
Die vorstehenden Maßgaben gelten grds auch für Gerichtsstandsvereinbarungen in AGB. Solche Vereinbarungen sind im Unternehmensverkehr (B2B) grds möglich, sofern die Vereinbarung den Formanforderungen des Art 25 genügt und die AGB nach Maßgabe des anwendbaren Vertragsstatuts wirksam in den Vertrag einbezogen sind. Inwieweit nach Maßgabe des nationalen Vertragsrechts eine AGB-Inhaltskontrolle durchzuführen ist, ist nicht abschließend geklärt. Überwiegend geht das Schrifttum von einer Unzulässigkeit einer AGB-Kontrolle nach nationalem Recht aus (zB Kropholler/v Hein Rz 20). Nach dem heutigen Stand des AGB-Rechts lässt sich ein solcher Ausschluss aber nur schwerlich noch mit der Erwägung begründen, Art 25 verweise für die Einbeziehung nur auf das allgemeine Privatrecht, wohingegen das AGB-Recht ein hiervon zu unterscheidendes Sonderprivatrecht darstelle. Eher einleuchtend ist das Argument, Art 25 wolle Gerichtsstandsvereinbarungen zulassen, womit eine nationale In...