Zusammenfassung

 

Art. 26 Brüssel Ia-VO(1) Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Beklagte vor ihm auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen oder wenn ein anderes Gericht aufgrund des Artikels 24 ausschließlich zuständig ist.

(2) In Streitigkeiten nach den Abschnitten 3, 4 oder 5, in denen der Beklagte Versicherungsnehmer, Versicherter, Begünstigter eines Versicherungsvertrags, Geschädigter, Verbraucher oder Arbeitnehmer ist, stellt das Gericht, bevor es sich nach Absatz 1 für zuständig erklärt, sicher, dass der Beklagte über sein Recht, die Unzuständigkeit des Gerichts geltend zu machen, und über die Folgen der Einlassung oder Nichteinlassung auf das Verfahren belehrt wird.

A. Zweck und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Abs 1 der Vorschrift entspricht dem ehemaligen Art 24. Mit der Reform ist die Belehrungspflicht nach Abs 2 hinzugetreten. Die Regelung des Abs 1 gilt nicht nur für den Fall der Klage; sie ist auch auf die Begründung der Zuständigkeit für eine Aufrechnungsforderung anwendbar, soweit für diese eine eigene Zuständigkeit erforderlich ist (EuGH Slg 85, 787). Das umfasst auch die Aufrechnung mit inkonnexen Forderungen (EuGH Slg 85, 787). Art 26 gilt zudem selbst dann, wenn die Parteien eine ausschließliche Zuständigkeitsvereinbarung getroffen haben (EuGH Slg 81, 1671; Slg 85, 787). Eine Abweichung von den ausschließlichen Zuständigkeiten des Art 24 kann auf Art 26 aber nicht gestützt werden; vielmehr ist bei Bestehen einer ausschließlichen Zuständigkeit gem Art 24 die Vorschrift des Art 27 maßgebend. Dagegen werden die Schutzvorschriften des 3.–5. Abschnitts in Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsrechtssachen in Art 26 Abs 1 S 2 nicht genannt. Diese Schutzvorschriften stehen daher, wie heute zugleich aus einem Umkehrschluss aus Abs 2 folgt, einer Zuständigkeit aufgrund rügeloser Einlassung nicht entgegen (EuGH C-111/09). Ferner schließt auch das Vorliegen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung das Eingreifen von Art 26 nicht aus (EuGH C-175/15).

 

Rn 2

Besondere räumlich-territoriale Anwendungsvoraussetzungen nennt Art 26 nicht, abgesehen davon, dass ein mitgliedstaatliches Gericht angerufen sein muss. Die Vorschrift ist deshalb auch dann anwendbar, wenn die Parteien an sich die ausschließliche Zuständigkeit eines drittstaatlichen Gerichts vereinbart haben (EuGH C-175/15). Das Erfordernis eines Beklagtenwohnsitzes in einem Mitgliedstaat ist ebenfalls nicht in Art 26 ›hineinzulesen‹. Der Jenard-Bericht (BTDrs VI/1973, 83) scheint zwar nur Beklagte mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat im Blick zu haben. Nach dem Prinzip, dass die Vorschriften der VO keine ungeschriebenen räumlich-territorialen Voraussetzungen kennen, und zur Gleichbehandlung aller Beklagten ist eine Anwendung ohne Rücksicht auf den Wohnsitz jedoch vorzugswürdig. Dies folgt heute auch aus der Streichung des Wohnsitzerfordernisses in Art 25.

B. Rügelose Einlassung.

 

Rn 3

Zuständigkeitsbegründend nach der Vorschrift wirkt nur die Einlassung zur Hauptsache ohne Rüge der Zuständigkeit (EuGH Slg 81, 1671; Slg 81, 2431; Slg 82, 1189). Bloße Säumnis genügt nicht (EuGH C464/18). Soweit die Gerichtsstände der VO auch die örtliche Zuständigkeit regeln, ist eine isolierte Rüge der internationalen Zuständigkeit ohne Rüge der örtlichen nicht möglich (Frankf 5.8.13, 11 AR 54/13). Bei einer bloßen Einlassung zum Zwecke der Rüge oder bei Erhebung einer Zuständigkeitsrüge, verbunden mit einer hilfsweisen Einlassung zur Sache, wird keine Zuständigkeit begründet. Ebenso begründet es keine rügelose Einlassung, wenn der Beklagte in erster Linie andere prozessuale Einreden geltend macht und die Unzuständigkeit nur hilfsweise rügt (EuGH C-433/16). Desgleichen führt eine nicht zum streitigen Verfahren zählende Einlassung nicht zur Zuständigkeitsbegründung (EuGH C-144/12: Einspruch gegen europäischen Mahnbescheid).

 

Rn 4

Dem Zeitpunkt nach muss die Rüge entweder vor jeder Stellungnahme zur Hauptsache erhoben werden oder sie kann mit einer (hilfsweisen) Stellungnahme zur Sache verbunden werden (EuGH Slg 81, 1671; Slg 81, 2431). In diesem Fall darf sie jedoch nicht später als das erste nach nationalem Recht als Verteidigung zu qualifizierende Vorbringen erhoben werden (EuGH Slg 81, 1671). Eine Abweisung vAw vor dem nach nationalem Recht maßgebenden Zeitpunkt ist unzulässig (östOGH 24.11.09 – 5 Nc 15/09i). In Deutschland wird im nationalen Prozessrecht angenommen, dass die Rüge in der ersten mündlichen Verhandlung erhoben werden kann (BGHZ 134, 127). Diese im nationalen Prozessrecht anerkannte Lösung) würde zwar sinnvollerweise auch im Rahmen der EuGVO gelten; nach der Rspr des BGH ist jedoch bereits in der Klageerwiderung zu rügen (BGHZ 190, 28 Rz 35; NJW 15, 2667 [BGH 19.05.2015 - XI ZR 27/14] Rz 17f). Die rügelose Einlassung muss durch die Partei oder den von ihr zurechenbar bestellten Vertreter erfolgt sein; ein wegen Abwesenheit gerichtlich bes...

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